Die «Hoheitsträger» und «Amtswalter» in Spanien
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Die beschlagnahmten Papiere gestatten uns, tiefe Einblicke in das Privatleben mancher Funktionäre der Nazis zu tun. Die „Hoheitsträger“ sind nicht nur in Deutschland ein bestimmter Typ Menschen. Die intrigante Arbeit im Dienste des Faschismus erfordert besondere Charaktere. Wir müssen uns in der Darstellung einiger dieser Typen beschränken auf einige wenige der besonders hervorragenden Kräfte, eventuelle spätere Veröffentlichungen mögen näher eingehen auf den neuen Typ des „Auslandsdeutschen“, der lange nicht immer mehr der alte ist mit der langjährigen Auslandspraxis. Viele dieser Amtswalter sind erst hinausgeschickt worden, als man erkennen musste, dass die alten Auslandsdeutschen zu grossen Teilen von anderem Schrot und Korn waren und in ihrer politischen Einstdllung vielmehr den Typ des konservativen Deutschen darstellten, den man für die konspirative Arbeit nicht verwenden konnte. So sandte man die in der SS und SA geschulten und vorbereiteten Kräfte auf wichtige Posten ins Ausland, die grossen Firmen der deutschen Industrie mussten alle die Leute einstellen, die man untergebracht haben wiollte. Die beruflichen Fähigkeiten spielten keine Rolle, lediglich die Eignung zu der entsprechenden Amtswalterstelle war ausschlaggebend.
Pg. Hans H e l l er m a n n
28 Jahre alt. Vierter und letzter «Hoheitsträger» der NSDAP, in Spanien Landesgruppenleiter seit April 1936.
Vor seiner Berufung zum Landesgruppenleiter, war Hellermann Ortsgruppenleiter in Barcelona. Schon zu dieser Stellung befähigte ihn die Schulung innerhalb der SA, in der er es zum Sturmführer gebracht hat. Seine Uniform brachte er mit, als er im Frühjahr 1933 nach Spanien kam, dazu einen grossen Ehrendolch, den er bei seiner schnellen Flucht zurückliess. Er war der erste „Spanien-Flüchtling“ der von Hitler persönlich empfangen wurde, zu einer Zeit, als der Kampf in Katalonien noch tobte. Sein bei der SA gestählter Mut reichte nicht aus, seine Untergebenen, seine Schutzbefohlenen unter seine Obhut zu nehmen, als sie ihn bitter nötig hatten. Diese Dinge überliess er seinem General-Konsul. Da auch HeMermann im Besitze eines Kurier-Ausweises der deutschen Botschaft war, ist es nicht ausgeschlossen, dass er dringende Depeschen zu überbringen hatte, als der Putsch ausbrach.
Offiziell betrieb Hellermann mit einem anderen Pg., namens Phillipi, ein Importgeschäft in Barcelona, wobei Philippi *) der Repräsentant war, da er, in Südamerika geboren, ausgezeichnet spanisch sprach. Die Scheinfirma diente selbstverständlich nur zur besseren Tarnung der wirklichen „Geschäfte“, die Hellermann gar keine Zeit Hessen, sich regulärem Handel zu widmen. Er hatte die Aufgabe fast 50 Gruppen im ganzen Land organisatorisch zusammenzuhalten, er hatte die Aufgabe die umfangreiche Parteikorrespondenz, zuletzt unter den Tarnungsmassnahmen, überall hin zu dirigieren. Er war der Verbindungsmann nach links und rechts, zwischen Partei in Deutschland und Faschisten in Spanien. Er musste Hand in Hand arbeiten mit dem „Hafendienstamt“, wenn dieses auch ihm nicht direkt verantwortlich war. Ein vielfältiges (Landsknechtsleben im Solde der deutschen Regierung, im fremden Land Befehlsgewalt über eine Schar von „Amtswaltern“, unabhängig, ja bis zu gewissem Grade dem General-Konsul übergeordnet, einen grossen Etat Propagandagelder für Spanien verwalten, das war der Lebensinhalt einps im Geiste Hitlers aufgewachsenen Mannes von 28 Jahren. Man hatte gut gewählt, unter der Leitung Hellermanns sind die letzten Verbindungen zu den spanischen Putschisten angknüpft worden. Er ist unmittelbar verantwortlich für die Verbrechen der deutschen Faschisten in Spanien. Wenn schon ein Supprian das Verdienstkreuz des Roten Kreuzes für seine „aufopfernde Tätigkeit“ während der Revolution in Katalonien erhielt, was wird die Belohnung für diesen Mann sein, der sich in so hohem Masse für das „Deutschtum im Ausland“ einsetzte, der, ein würdiger Vertreter der Hitler-Mentalität, als Intrigant und Spion Spanien mit verkaufen wollte an seinen „Führer“?
Spione werden Konsuln, Konsuln werden Spione! Die Welt sei gewarnt vor Hellermann und Konsorten!
Pg. Anton L e i s t e r t
36 Jahre alt Landesgruppenwalter der «Deutschen Arbeitsfront» in Spanien. Früher Kreisleiter des D.H.V.
LEISTERT, Anton
Cargo: Jefe del Frente del Trabajo Alemán en Barcelona
Domicilios: c/ Muntaner, 296 y c/ Pg. Pujades, 11 (Barcelona)
Im Gegensatz zu dem Landesgruppenleiter der Partei, Hellermann, ist der „Landesgruppenwalter“ der Arbeitsfront, Anton Leistert, ein ganz anderer Typ. Wie die Dokumente zeigen, ist er einer der Veteranen der Nazi-Bewegung. Bereits mit 15 1/2 Jahren erhielt er mit Zustimmung seines Vaters die erste militärische Ausbildung. Im letzten Jahre des Weltkrieges hatte er, als 17 jähriger, bereits einen jener Grenzpassierscheine, die später in der besetzten Zone von vielen Deutschen zur Spionage ausgenutzt wurden. Er war 1920 bis 21 aktives Mitglied des „Deutschvölkischen Schutz und Trutzbundes“, über diese Zeit schreibt er selbst an einen Freund:
„Leider wurde unsere Arbeit durch das Verbot desselben unterbrochen und ich selbst verliess Halle, in dem ich so manches miterlebt und wo ich mit der Waffe in der Hand mitgekämpft habe.“
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Noch an vielen Stellen begegnen wir Notizen von Leistert, der sein Licht absolut nicht unter dem Scheffel stellt,wie er teilgenommen hat an den Kämpfen gegen die Arbeiterschaft. Durch seine Aktivität erwarb er sich überall das Vertrauen der Führung der gesamten Bewegung.
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Leistert erhielt seine erste militärische Ausbildung mit 15 1/2 Jahren.
Schon 1922 wird er Mitglied der jungen Nationalsozialistischen Partei und kommt als sogenannter Kaufmann 1925 nach Spanien. Hier setzt er sich ein für den ehemaligen Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband, dessen Kreisleiter er wird. Schon lange vor der Gleichschaltung spielt Leistert in der Auslandsbewegung eine gewisse Rolle. Sein Beruf war niemals die Hauptsache für ihn, die politische Arbeit hat ihn stets mehr interessiert. Er entwickelte sich zu dem typischen deutschen Politikanten, im persönlichen Leben zum Spiessbürger mit gutem Einkommen. Trotzdem, er das Gymnasium mit schlechtem Abgangszeugniss vorzeitig verlassen hatte, wurde er ein fleissiger Arbeiter und verwertete sein ausgesprochenes Organisations-Talent teils im Dienste der Firma Merck, deren Prokurist und Generalvertreter für Spanien er bald wurde, grösstenteils jedoch für die Organisierung der NSDAP, Auslandabteilung-Spanien. Leistert ist der eigentliche Organisator der gesamten Parteibewegung in Spanien. Er verstand es sich überall mit seinen Biedermann-Manieren beliebt zu machen, er hatte die erforderlichen Energien, jeden Widerstand zu überwinden. Auf allen Seiten unseres Berichtes sind wir dem Namen Leisterts begegnet, er hatte seine Hände in allen Angelegenheiten der Partei und der DAF, bis er es eben nach der Gleichschaltung zum Landesgruppenwalter brachte. Sein Ziel war erreicht, Generalvertreter mit 2 700 Peseten Gehalt monatlich, mit grossen Zuwendungen von der Partei und regelmassigen Spesen-Bezügen für seine vielen Reisen, die er offiziel für seine Firma, in Wirklichkeit für die Partei machte.
Es gab kaum eine Ortsgruppe, die er nicht selbst besucht hatte, er kannte fast ausnahmslos alle Parteimitglieder des Landes persönlich und war deshalb stets in der Lage, die geeigneten Kräfte an die besten Plätze zu stellen. Er war ein unermüdlicher, pedantischer und bürokratischer Arbeiter für die Partei.
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Aktives Mitglied der NSDAP, seit 1922.
Als er die höchsten Ehren für Spanien erworben hatte, als er Stabsleiter der Partei in Spanien war, heiratete Leistert und begann die Früchte seiner Arbeit zu geniessen. Der Inhalt seiner Wohnung bewies bei der Haussuchung so manches, was man bisher immer nur vermutete bei führenden Parteimitgliedern. Sein Bild aus dem Jahre 1936 zeigt die geniesserischen Züge eines brutalen Spiessbürgers. Die Analyse seiner Handschrift, die wir haben machen lassen, sagt u. a. folgendes:
„Die Schrift zeigt einen Menschen an, der aus einer geistigen Kindheit nicht herauszureissen ist er ist neugierig lüstern, er ist ein moralischer Schmierfink er wird sich zu jeder Gemeinheit missbrauchen lassen. Dieses wird bei ihm besonders leicht zu bewerkstelligen sein, weil er an sich ein roher Mensch ist. Man kann von ihm kindliche Grausamkeit erwarten, die einem ethischen Defekt entspringt. Er gibt sich keine Rechenuchaft, ob eine Handlung gut oder böse ist, sondern geniesst die Schmerzempfindungen, anderer Kreaturen vollverantwortlich ist er auch keineswegs für seine Handlungen.
Alles in allem: ein primitiver, pathologisch-triebhafter Mensch, ohne Hemmung und ohne moralisches Rückgrad. Er ist sehr hartnäckig im Lügen und hat die Begabung ein Biedermanngesicht zu Schau zu steilen, wenn es gebraucht wird. Aus diesen Gründen ist er gefährlich, nicht aus eigener initiativer Gerissenheit.“
Zug für Zug dieser vortrefflichen Charakterschilderung Leisterts ist nachweisbar durch die Dinge, die diesen Mann in seiner Privatwohnung umgaben. Man fand eine ausgesuchte erotische Bibliothek mit speziell sadistischer Lektüre. Man fand hunderte von Nazi-Abzeichen an den unmöglichsten Stellen seiner Habe. Das Interesse an der Nazi-Bewegung war bei Leistert zu einer Manie geworden. Seine Privatkorrespondenz, die gewissenhaft aufbewahrt wurde, zeigt diesen Mann in seiner ganzen Grösse. Der unbändige Ehrgeiz in ihm gab ihm die Kraft seinen Weg zu machen; nachdem er der gemachte Mann war, spielte er aller Welt gegenüber den stolzen guten Onkel. Die für die meisten Nazi-Führer typische Machtlüsternheit konnte er austoben in seiner uneingeschränkten Herrschaft über hunderte von „Amtswaltern“ und Parteigenossen. Kurzum, auch Leistert ist ein Typ innerhalb der Nazi-Bewegung, von dem grosse Vorbilder in Deutschland existieren.
Pg. Karl F r i c k e
Deutscher Konsul und Stützpunktleiter der Partei in Cartagena. Leutnant der Reserve, Fliegerabteilung.
Hier in Afrika macht der junge Mann rasche Karriere. 1906 wird er in der britischen Kolonie „Stadtrat“, 1908 in einem anderen Ort ebenfalls. Während dieser Zeit veröffentlicht Fricke die ersten literarischen Arbeiten; er schreibt über Negerrecht, Freiwilligenkorps, Elefanten- und Löwenjagden, was so einem begüterten afrikanischen Stadtrat einfallen mag. 1909 kehrt er auf zwei Jahre in die Heimat zurück, um auf dem Kolonialinstitut seine Kenntnisse zu erweitern. Er studiert nach seinen eigenen Angaben nicht weniger als: Nationalökonomie, Konsularrecht, Kolonialrecht, Ethnographie, Kolonialgeschichte, angewandte Botanik, Zoologie, Haus-, Wege- und ßrückenbau in den ‚Kolonien usw. Von 1911 bis 1914 ist Fricke als Kaufmann in der Südsee tätig und macht weite Reisen um seine Kenntnisse zu erweitern. Als treuer Sohn seines Vaterlandes eilt er bei Kriegsausbruch in die Heimat zurück um von Kriegsausbruch bis 1916 als Reserveleutnant den Kriegsdienst zu leisten. Er wird verwundet und tritt nach seiner Genesung bei den Fliegern ein. Später wird er zum Admiralstab der Marine abkommandiert. Man hat seine besonderen Fähigkeiten entdeckt und schlägt ihn vor zur „besonderen Verwendung“.
«Harri W o o d», der Spion als Konsul
Man erhält den Eindruck eines guten Sohnes aus bürgerlichem Hause, wenn man die ersten Zeilen seines selbstgeschriebenen Lebenslaufes liest:
1883, 16. Januar, geboren als Sohn des hamburgischen Sohulinspektors H. Fricke und Frau Charlotte geb. Langenbeck. 1889/97 Besuch der Seminarschule in Hamburg 1897/1904 kaufmännisch tätig in Hamburg in Ex- und Importgross-Handelsfirmen.
1904/05 Einjährig-Freiwilliger im 1. Bayr. Inf. Regt. König. München. 1905/09 als Kaufmann und Jäger tätig in Britisch Central-Afrika.
Ab Anfang 1917 verschwindet Karl Fricke von der Bildfläche, und niemand weiss, wo er geblieben ist, ausser dem Admiralstab. Die interessante Weiterentwicklung zwingt auch uns, die folgenden 2 1/2 Jahre zunächst zu übergehen und mit dem nachfolgenden Abschnitt seines selbstgeschriebenen Lebenslaufes fortzufahren:
„1919, 15. November, Entlassung seitens des Admiralstabes der Marine. Gründung der Firma Enrique C. Frieke, die sich heute befasst mit Im- und Export von und nach Deutschland, mit der Vertretung allererster Firmen der deutschen Bankwelt, Schwerindustrie, Maschinerie-industrie und chemischen Produkten. Hauptagentur der Dampfschiffarts-Gesellschaft „Neptun“, Bremen, für den Ostspaniendiemst. Besondere Abteilung für die Erzausfuhr. In Murcia eigene Filiale unter derselben Firma für die Apfelsinenausfuhr. Heute teschäftigt dio Firma Enrique C. Fricke über 100 Angestellte, darunter sechs deutsche Herren, einschliesslich vier Kriegsoffiziere, alle verwundet.
1920 Heirat mit einziger Tochter eines erfolgreichen spanischen Minenbesitzers.“
Eine glänzende Laufbahn, bei der nur schleierhaft ist, wie man, als entlassener Reserveleutnant so unmittelbar ein grosses Im- und Exportgeschäft aufbauen kann. Fricke weiss, mit welchen Artikeln man mit Erfolg handeln muss, er vertritt Grosskapital und Schwerindustrie, chemische Industrie und Erzminen-Gesellschaften, Die Apfelsinenausfuhr macht er so nebenbei als gutes Extrageschäft. Er sitzt von Anfang an richtig „drin“, ihm fehlen nur noch einige Vertrauensleute, die er in vier ehemaligen deutschen Offizieren findet. Er krönt sein Werk durch die Heirat mit einer rei¬chen Minenbesitzertochter und ist nun ein gemachter Mann. Die ganze Kombination seines Geschäftsaufbaues, die angeknüpften Verbindungen und schliesslich seine Heirat kennzeichnen den klugen deutschen Kaufmann, der selbstverständlich auch die politische Seite genügend in Erwägung zieht. Es zeigt sich, das Fricke nicht falsch spekuliert hat.
Die Artikel mit denen er handelt gehen immer; wir kommen noch darauf zurück. Enrique C. Fricke, der Mann der seinen Vornamen tauschte, wird schliesslich Konsul, der genaue Zeitpunkt ist uns nicht bekannt, aber auch für den Verlauf der Geschichte unwesentlich. Sicher ist nur, dass der Konsul Fricke noch mehr Möglichkeiten hat, als der gewöhnliche Karl oder Enrique C. Fricke. Er weiss sie zu nutzen. Er wird der Wahltäter der deutschen Kolonie in Cartagena, der er eine Schule erbaut mit grossen Subventionen der Schwerindustrie, die er so erfolgreich vertritt. Wenn er auch die Schulgelder unbarmherzig eintreibt, selbst in Fällen von Armut, wie aus einem Schriftwechsel hervorgeht. Denn er ist nicht nur der Erbauer der Schule, sondern auch deren Fi¬nanzier, die Einnahmen sind für ihn. Und die Schule ist nicht nur
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