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Leichen pflastern ihren Weg … KPD-Aufstand Oktober 1923 in Hamburg-Barmbek

Am 23. Oktober 1923 hatten die Hamburger Parteikommunisten einen Großkampftag nach Ludendorffschen Muster veranstaltet. Ist es auch Wahnsinn – es hat Methode. Man könnte die Revolutionsspielerei als harmlose Kinderei bezeichnen, deckten nicht Proletarierleichen dabei die Straßen.

Es sollte die Eroberung der Staatsmacht wieder einmal vollzogen werden. Und was nachher geschehen sollte – deswegen läßt sich kein Parteimensch auch nur ein graues Haar wachsen. Die Arbeiter- und Bauernregierung sollte in Hamburg zuerst etabliert werden, und wie ein solches Regierungsgebilde dann zu regieren hätte, darüber macht sich kein Parteikommunist irgendwie Kopfschmerzen. Man macht in Rebellion eben der Rebellion wegen und nennt dieses verrückte Menschenschlachten Revolution. Ist es auch Wahnsinn, es hat Methode.

Natürlich waren die Hamburger Kommunisten nicht in dem Maße närrisch, lediglich der Dame Hammonia die »Vereinigten Sowjetstaaten« auf die Nase setzen zu wollen: die »nordische Wasserkante« war als Operationsbasis gedacht, wo »Sowjet-Deutschland« ausgerufen und die »Revolution«, wie der Parteikommunismus sie sich vorstellt, ihren Ausgang haben sollte. Jedoch in Kiel, Bremen und Bremerhaven blieb die Bewegung gleich in den Anfängen stecken. Nur in Hamburg und einigen Vororten wurde die Rebellionsnarrheit zur blutigen Wahrheit. Vielleicht wäre auch hier der Ausbruch vermieden worden, wenn hier nicht die gegenwärtigen sozialdemokratischen Regierer ihn bewußt gefördert hätten.

Die ehemaligen Bonzen und nunmehrigen Staatsmännekens mußten es wissen, und wissen es auch bestimmt, daß Verfolgungen und Verbote in einer politisch erregten Zeit Ausbrüche der Leidenschaft und des Fanatismus herbeiführen. Es standen einige Senatorensessel auf dem Spiel. Und eben, weil sie dieses wissen, wendeten sie skrupellos die Mittel der Verfolgung und der Verbote an. Seit Monaten propagierten die Kommunisten den reinen Arbeitersenat. Die Mitglieder beider Arbeiterparteien wollten und wollen das gemeinsame Handeln. Sogar die Hamburger Gewerkschaftskommission, dieses Gebilde für Unternehmerschutz und Arbeiterverrat, mußte in parteieinigenden Bestrebungen machen, denn deren sind zuviel, die davonlaufen. Käme es zu einer Einigung der Parteimitglieder, dann müßten einige Inhaber der Senatorensessel gegen Kommunisten ausgewechselt werden. Das betrübt ohne weiteres jedes Bonzenherz. Darum ist die »Hamburger Volkszeitung«, das Parteiorgan der Kommunisten, seit Wochen verboten, darum wurden alle öffentlichen Aeußerungen der K.P.D. gewaltsam unterdrückt. Die ohnehin fanatisierten Angehörigen der K.P.D. in Hamburg waren von den sozialdemokratischen Regierern absichtlich und gewissenlos zur Verzweiflung und zur Revolte getrieben, um zu verhindern, was in Sachsen-Thüringen geschah: die Verdrängung sozialdemokratischer Regierer durch eine Einigung für gemeinschaftliches parlamentarisches Handeln.

Außerdem ist die Elendssituation im Wirtschaftsgebiet Hamburg am Zerspringen. Die Werftarbeiter verdienten nicht mehr das trockene Brot, und die Werftgewaltigen erklären ihren Arbeiterräten: »Die Arbeiter hungern noch nicht.« Die Blohm und Konsorten dürfen sich dieser perversen Lust hingeben, denn sie wissen, daß sie unter dem Schutz der Gewerkschaftsführer stehen. Die Werften liegen nun seit einer Woche still. Auch im Hafen ruht die Arbeit. Man unterhandelt um wertbeständige Löhne. Im Hafen heulen die Rudimente der ehemaligen deutschen Flotte: einige Torpedoboote, und demonstrieren der Hamburger Arbeiterschaft die Wunder der sozialen Demokratie.

Diese Elendssituation ist für einen Kommunistenputsch wie geschaffen. Und so schlugen sie am 23. Oktober beim Morgengrauen los. Es wurden die Wachen der Außenbezirke im Handstreich genommen. In den preußischen Ort Schiffbeck wurde der »Bund der Sowjetstaaten« ausgerufen. In der inneren Stadt sollte durch Ansammlungen die »Sipo« abgehalten werden. Daß von außerhalb Reichswehr anrücken konnte, dagegen war vorgesorgt. Der Revolutionsplan war verdammt gescheit – wenn ihm nicht eine falsche Voraussetzung angehaftet hätte. Die Erstürmung der Wachen sollte die Massen in Bewegung setzen, die zum Rathaus ziehen und vielleicht Hense durch Thälmann und Grünwald durch Urbahns auswechseln sollten. Und das blieb aus. Die »klassenbewußten« Hamburger Arbeiter wollen gar keine neue Regierung: sie wollen Brot und Fett.

Die Masse der Streikenden sah sich die blutigen Vorgänge aus der Vogelperspektive an und wahrte ihre eigene Haut. So mußte der Putsch verbluten. Das Feuergefecht eines Tages brachte »Ruhe« wie zuvor. Wie viele Arbeiterleichen auf der Walstatt blieben, darüber berichtet die Hamburger Presse nichts. Man zählt nur die Namen der gefallenen und verwundeten »Sicherheitsmannschaften« auf.

Nun sind die kommunistischen Arbeiter wieder um eine Illusion ärmer und um eine Erfahrung reicher. So geht es nicht: die »Revolutionspsychose« der Massen ist am Erlöschen. Fanatiker, die es versuchen, unter Einsetzung ihres Lebens einen neuen »Staatsumsturz« herbei zuführen, kann man achten, weil sie Idealisten sind. Politisch sind sie Narren, als Revolutionäre sind sie Schwärmer. Schälen wir die Dinge, wie sie in Deutschland liegen, klar heraus:

Das Deutsche Reich Bismarckscher Schöpfung liegt in der Agonie. Es war nicht gewachsen aus wirtschaftlichen und kulturellen Notwendigkeiten heraus, es war zusammen gekittet mit Blut und Eisen. Das deutsche Eisen mußte versagen gegen die Wehrmacht der ganzen Welt, so muß das Reich mit Naturnotwendigkeit zusammenbrechen. Die »deutschen Stämme« fühlen sich nicht mehr miteinander verbunden, nachdem daß »Heil dir im Siegerkranz« verklungen. Die noch vom furor teutonicus besessen sind, sind jene, denen der Zusammenbruch des alten Militarismus die wirtschaftliche Existenz nahm.

»Held« Poincaré macht mit grausamer Konsequenz das übrige und Baldwin sieht befriedigt zu.

Der Zerfall des Reiches ist nicht aufzuhalten. Und diesen Zerfall wollen die Arbeiterparteien verhindern. Das wollen nicht nur die Sozialdemokraten, das wollen auch die Kommunisten. Sie stellen die Reichseinheit über die Arbeiterinteressen. Darum verhungern die Arbeiter bei vollen Scheunen. Denn ihre Organisationen greifen aus Furcht vor dem Zerfall der Reichseinheit nicht die »Substanz«, die Reichen, an. Auch die Kommunisten würden es nicht tun, kämen sie zur politischen Macht. Sie würden fortwursteln, wie die Sozialdemokraten fortwursteln.

Es gibt nur einen Weg zur sozialen Revolution – das ist die Loslösung des Arbeiterdenkens vom Staat, ist die Wandlung der Psychologie des Arbeiters von der Autorität zur Freiheit. Das Ziel ist ein anderes [als das], wofür die kommunistischen Arbeiter Blut und [Leben] opfern: es ist die Ordnung ohne staatlichen Zw[ang], ist der staatenlose, herrschaftslose Sozialismus.

Isegrimm

Der Syndikalist (Berlin), Jg. 5/1923, Nr. 43/44

Revolutionäre Postkarten

Anfang November 2022 erschien der Sammelband „Mit revolutionären Grüßen – Postkarten der hamburger Arbeiterbewegung 1900-1945“ (VSA Hamburg, 280 Seiten, Ladenpreis 24,80 Euro). Im November gab es hierzu in Hamburg vier Ausstellungen.

René Senenko (Hrsg.)

»Mit revolutionären Grüßen«

Postkarten der Hamburger Arbeiterbewegung 1900–1945 für eine Welt ohne Ausbeutung, Faschismus und Krieg

288 Seiten | Hardcover | Farbe | In Kooperation mit: Olmo e.V. – Verein für Kultur und Erinnerungsarbeit zwischen Ohlsdorf und Ochsenzoll, Geschichtswerkstatt Eimsbüttel, Rosa-Luxemburg-Stiftung u.a. | 2022 | EUR 24.80
ISBN 978-3-96488-108-3

https://www.vsa-verlag.de/nc/buecher/detail/artikel/mit-revolutionaeren-gruessen/

Hier findet ihr auch das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe.

Wir veröffentlichen hier unseren Beitrag in diesem Buch auf unserer Homepage. Er ist im Buch unwesentlich verändert.

Wir möchten auch auf den Beitrag von Werner Skrentny hinweisen: Ein (fast) vergessener Künstler – Hein Semke aus Hamburg-St.Pauli

Anarchisten im »Roten Bollwerk«

Folkert Mohrhof und Jonnie Schlichting

»Anarchie ist nicht Chaos, sondern Ordnung ohne Herrschaft
Anarchismus in Hamburg, Altona und Umgebung

Der arbeitslose Schlachtergeselle Kurt Gustav Wilckens (1886–1923), wanderte im September 1920 nach Argentinien aus und erschoss in Buenos Aires am 15. Januar 1922 den berüchtigten Oberst Varela, der zuvor 1.500 streikende Landarbeiter in Patagonien niedermetzeln ließ. Vor seinem Prozess wurde der aus Bad Bramstedt stammende Anarchist in seiner Gefängniszelle am 15. Juni 1923 von einem studentischen Mitglied der faschistischen Patriotischen Liga erschossen. Auch einhundert Jahre nach seiner Tat wird Kurt Wilckens in Argentinien von der organisierten Arbeiterschaft als proletarischer Held und Märtyrer verehrt ob seines Mutes und seiner Opferbereitschaft. Hieran erinnert die Postkarte der Hamburger individual-anarchistischen Zeitung »Alarm« aus dem Jahre 1924.


»Anarchie ist Gesetz und Freiheit ohne Gewalt.« – Immanuel Kant (1798)
»Alle Sozialisten verstehen unter Anarchie dieses: Ist einmal das Ziel der proletarischen Bewegung, die Abschaffung der Klassen erreicht, so verschwindet die Gewalt des Staates, welche dazu dient, die grosse produzierende Mehrheit unter dem Joche einer wenig zahlreichen ausbeutenden Minderheit zu halten, und die Regierungsfunktionen verwandeln sich in einfache Verwaltungsfunktionen.« – K. Marx & F. Engels (1872)
»Anarchie ist nicht Chaos, sondern Ordnung ohne Herrschaft.« – Herbert Wehner (1923)

Anarchisten im ‚roten Bollwerk’
Ja, es gab sie, die Anhänger der Lehren von Bakunin und Kropotkin, in der sozialdemokratischen Hochburg, dem »roten Bollwerk« Hamburg.

Die Häfen von Hamburg-Altona waren schon während des Sozialistengesetzes der Umschlagplatz für sozialistische und anarchistische Literatur aus London. Johann Mosts revolutionär-sozialistische Freiheit und die anarcho-kommunistische Autonomie wurden von hier aus durch Genossen in das ganze Kaiserreich versandt. Ebenso Mosts Flugschrift »Die revolutionäre Sozialdemokratie« (1880) und das einseitige Flugblatt »Arbeiter« (März 1885), das vor allem August Reinsdorf verteidigte. Deren Verbreitung wurde natürlich durch die Polizeibehörde verboten. Im Januar 1893 ereilte auch Mosts »Die anarchistischen Kommunisten an das Proletariat« dies Schicksal.

Die Anarchisten zweifelten daran, dass über Wahlen und das Parlament der Sozialismus errungen werden konnte – sie setzten auf den sozialen Generalstreik. Sie kritisierten die Stellvertreterpolitik durch Gewerkschafts- und Parteiführer und propagierten die direkte Aktion der unmittelbar Betroffenen. Folgerichtig lehnten sie zentralistische, hierarchische Organisationsformen in der Arbeiterbewegung ab, die nur den Staat kopieren, und setzten dagegen eine föderalistische Organisierung auf der Grundlage der freien Vereinbarung.

Sie waren nicht viele, öfters auch untereinander zerstritten. Aber – sie waren in der großen Mehrzahl Proletarier: Arbeiter, Angestellte, Lohnabhängige. Damit unterschieden sie sich nicht von ihren sozialdemokratischen Klassengenossen. Und wie diese standen sie unter strengster Beobachtung einer hochwohllöblichen Obrigkeit, die oft und gern repressiv wurde und Aktivisten in »Staatspension« (Gefängnis, Zuchthaus) verschickte. Und sie wurden erbittert bekämpft von der örtlichen Sozialdemokratie, die der ungeliebten Kritik von links tunlichst jede Möglichkeit nahm, sich öffentlich zu äußern – durch Sprengung von Veranstaltungen oder Verhinderung derselben (»Saalabtreiben« hieß das).

Paul Schreyer und der »Kampf«
Der Küper Paul Schreyer (geb. 1886 in Zahna, Preußisch Sachsen) entwickelte sich, seit er 1905 nach Hamburg zog, zu einem der treibenden Aktivisten des Anarchismus im Grossraum der Hansestadt. Auf seine Initiative wurde 1907 der Anarchistische Lese- und Debattierklub Hamburg-Altona gegründet, der sich im August 1908 der Anarchistischen Föderation Deutschlands (AFD) anschloss. 1909 spaltete sich der Leseklub auf Betreiben von Carl Langer (von dem noch zu reden ist). Die Mehrheit des Klubs gründete im September 1909 die Anarchistische Föderation Hamburg und Umgebung (AFH). Schreyer übernahm ab Januar 1911 die Geschäftsführung der AFH. Die Berliner Politische Polizei resümierte in ihrer Jahresübersicht für 1912: »Die Hamburger Föderation, deren Seele Schreyer ist, hat rege gearbeitet

Seit 1911 hatte die AFH eine eigene Druckmaschine, auf der Broschüren, Flugblätter und Postkarten gedruckt wurden (siehe die Anti-Wahl-Postkarte »Mitbürger, zur Wahl«). U.a. erschienen 1911 und 1913 Ausgaben von Johann Mosts »Die Gottespest« (im Kaiserreich verboten und deshalb mit den falschen Verlagsangaben ›New York‹ bzw. ›London‹).

Seit Mai 1912 gab Schreyer für die AFH die monatlich erscheinende Zeitschrift Kampf heraus, als »Unabhängiges Organ für Anarchismus und Syndikalismus«. Bis zum Juli 1914 erschienen 25 Ausgaben, mit einer Auflage zwischen 2000 – 4000 Exemplaren. Die Berliner Politische Polizei bescheinigte dem Kampf: »Sein Inhalt ist trotz grammatikalischer Mängel volkstümlich, erhebt sich nicht über das geistige Niveau des einfachen Arbeiters …«.

In den letzten Jahren vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges war Schreyer auch im deutschen Kaiserreich eine der bekannten Figuren in der anarchistischen Bewegung, für die er reichsweit als Agitator auftrat.
Paul Schreyer emigrierte vor Beginn des I. Weltkrieges in die Schweiz, um seiner Einziehung zum Militär zu entgehen. Der Kampf musste bei Kriegsbeginn natürlich sein Erscheinen einstellen.

Im Dezember 1914 erschien in Kopenhagen Schreyers Schrift »Die Sozialdemokratie und der Krieg«, eine gründliche Abrechnung mit (nicht nur) der SPD. Die Schweiz lieferte Paul Schreyer 1915 widerrechtlich an das Kaiserreich aus, wo er wegen ‚Fahnenflucht‘ in den Knast gesteckt wurde. Die folterähnlichen Haftbedingungen ruinierten seine Gesundheit gründlich. Er starb noch während des I. Weltkriegs, am 26. April 1918, im Festungsgefängnis Spandau an einer Lungenentzündung.

Die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVdG)
Die Freie Vereinigung ging aus der lokalistischen Opposition des Halberstädter Gewerkschaftskongresses 1892 hervor. Sie gab sich 1897 eine eigene organisatorische Struktur und verstand sich als militante sozialdemokratische Richtungsgewerkschaft mit föderalistischer Struktur. Es waren die lokalistischen Hafenarbeiter, die den großen Streik im Hamburger Hafen von 1896/97 organisierten.

Der wachsende Druck der Zentralgewerkschaften unter Carl Legien auf die SPD sowie die immer schärfere Kritik der FVdG an der Nutzlosigkeit der Parlamentarismus und die Propagierung des revolutionären Generalstreiks führte 1908 zum Ausschluss der Mitglieder der FVdG aus der SPD wegen »Anarcho-Sozialismus«. Die FVdG näherte sich in der Folge dem revolutionären Syndikalismus an, dessen Vorbild die französische CGT war. Aus ihr ging dann Ende 1919 die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) hervor, die zeitweilig bis zu 150.000 Mitglieder gewerkschaftlich organisierte.

Seit 1908 öffnete sich die FVdG den Anarchisten – nicht immer ganz konfliktfrei mit der ‚alten Garde‘ der FVdG, denen noch einige sozialdemokratische ›Eierschalen‹ anhafteten. Aber sie gab den Anarchisten der ‚Roten Hauptstadt‘ die Chance, ihre Isolation zu durchbrechen. Mit dem Kampf hatten sie eine eigene lokale Zeitung.

In Hamburg engagierten sich die Aktivisten der AFH stark in den lokalen Organisationen, die vor allem im Bereich der Transport-, Hafen und Werftarbeiter und der Berufe des Bauhandwerks und Dienstleistungssektors bestanden, sich zur Freien Vereinigung aller Berufe (seit 1913 Syndikalistische Vereinigung aller Berufe) zusammenschlossen und ein Gewerkschaftskartell mit einigen Fachverbänden und der Föderation der Metallarbeiter bildeten. Dem Kartell schloss sich der 1913 entstandene Syndikalistische Industrie-Verband an, der von Hafenarbeitern und Seeleuten gegründet worden war. Hamburg entwickelte sich so in den letzten Jahren vor dem 1. Weltkrieg zum norddeutschen Zentrum der FVdG mit bis zu 400 Mitgliedern.

Einer ihrer führenden Protagonisten war der 1862 in Königsberg in Ostpreußen geborene Bauhilfsarbeiter Karl Roche. Er kam 1887 zur SPD und hatte seit 1891 zuerst für den Fabrikarbeiter-Verband, dann für den Bauhilfsarbeiter-Verband als Organisator im Reich gearbeitet, zuletzt von 1907 bis 1909 als Bürohilfsarbeiter beim Hauptvorstand in Hamburg. Wegen verbandsöffentlicher Kritik am Hauptvorstand (u.a. Unterschlagungen von Mitgliedsbeiträgen durch den Hauptkassierer) wurde er 1909 gefeuert, worauf er zur FVdG übertrat. In deren Verlag erschien seine Abrechnung »Aus dem roten Sumpf«. Seitdem schrieb er regelmäßig in den beiden FVdG-Organen Die Einigkeit und Der Pionier und war 1913 einer der deutschen Delegierten auf dem 1. internationalen Syndikalisten-Kongress in London.

Der Syndikalistische Industrie-Verband organisierte auf der Jungfernfahrt des HAPAG-Ozeandampfers »Vaterland« (seinerzeit das größten Passagierschiff der Welt) nach New York einen Seeleutestreik. Diese Arbeitskampf wurde mit dem Mittel der direkten Aktion geführt und endete mit einem Sieg der Streikenden, aber auch der Entlassung von 240 Stewarts nach der Rückkehr. Über den Verlauf dieses Streiks berichtete die erste Ausgabe der im Juni 1914 erscheinenden neuen Gewerkschaftszeitung Der Revolutionär des Industrieverbands der FVdG. Auch sie fiel dem Kriegsausbruch zum Opfer.

Revolution und Konterrevolution
Nein, es waren nicht nur Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Nach dem Krieg traten auch die Syndikalisten wieder an die Öffentlichkeit und erhielten einen unerwartet großen Zustrom an neuen Mitgliedern. Die Einigkeit wurde in Der Syndikalist umbenannt. Der wichtigste und bekannteste Protagonist der FAUD/AS war der anarchistische Schriftsteller Rudolf Rocker in Berlin, der vor seiner Ausweisung 1918 in London den jüdischen Arbeiterwiderstand an vorderster Front organisiert hatte.
In Hamburg entstand die Syndikalistische Föderation (SFH), deren Geschäftsführer Karl Roche wurde, seit Juni 1918 auf der Vulcan-Werft zwangsverpflichtet. Ein Spitzelbericht im Oktober 1919 notierte: »Der Haupthetzer auf der Vulcanwerft ist der Syndikalist Roche. Sein Einfluss auf die Arbeiterschaft ist ungeheuer und mit Recht wird behauptet, dass er die Seele des verderblichen Widerstandes gegen Vernunft und Ordnung eines grossen Teils der Arbeiterschaft ist

Roche schrieb 1919 das erste Nachkriegsprogramm und weitere wichtige Texte der FVdG. Schon im Januar 1919 unternahm er zusammen mit Fritz Kater erste Agitationsreisen durch Norddeutschland, u.a. eine Veranstaltung am 16. Januar 1919 in der Aula des Wilhelm-Gymnasiums, heute Teil der Universitätsbibliothek Hamburg.

Die konterrevolutionäre Politik der MSPD und der ›freien‹ Gewerkschaften (ADGB) führte auch in Hamburg und Altona zur weiteren Radikalisierung: Nationalversammlung statt Rätekongress – Hintertreibung des Arbeiter- und Soldaten-Rates in Hamburg – Reförmchen statt Revolution – Betriebsrätegesetz statt Sozialisierung der Betriebe – und als Antwort auf den Arbeiterwiderstand erfolgte das Niederkartätschen durch die Reichswehr und reaktionären Freikorps-Verbände.

Der angebliche ‚Bahrenfelder Spartakisten-Aufstand’ vom Februar 1919 war der Versuch von radikalen Arbeitern unter Führung des Syndikalisten Rüdigkeit, Waffen in Polizeiwachen zu beschlagnahmen, um den Beschluß des Arbeiterrats umzusetzen, der Bremer Räterepublik zu Hilfe zu eilen. Aber die reformistischen Gewerkschaften sabotierten dies durch einen Reichsbahner-Beamten-Streik (!), und die bewaffneten Arbeiter konnten Bremen nicht mehr erreichen.

Wohl im Sommer 1919 trennte sich Roche mit der großen Mehrheit der SFH von der FVdG/FAUD und gründete die Arbeiter-Union (AU), die sich im Frühjahr 1920 mit ähnlich ausgerichteten Organisationen zur Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands (AAU) formierte. ‚Knackpunkte‘ waren wohl die Diktatur des Proletariats und das Prinzip der Betriebs-Organisation. Das erste, sehr föderalistische Programm der AAUD stammte von Roche (eine Fortschreibung des von ihm formulierten FVdG-Programms); er trat auch für die Vereinigung von AAU und FAUD ein.

Seitdem entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit der Hamburger KPD, die zum anti-parlamentarischen und für die Zerschlagung der kriegstreiberischen ›Freien‹ Gewerkschaften eintretenden Mehrheits-Flügel der KPD gehörte. Als dieser Ende 1919 aus der KPD herausmanipuliert wurde, entstand Ostern 1920 die Kommunistische Arbeiter-Partei (KAPD), die eng mit der AAU zusammenarbeitete. Die AAU hatte zu diesem Zeitpunkt in Groß-Hamburg 12.000 Mitglieder, meist im Hafen und auf den Werften. Seit 1920 erschien ihre Wochenzeitung Der Unionist mit Roche als Redakteur.

Roche gehörte 1921 mit Otto Rühle und Franz Pfemfert zu den Köpfen der Opposition, die nach dem Sieg der KAPD-Linie in der AAU die AAUE gründeten, die eng mit der FAUD kooperierte. Roche schloß sich Ende 1923 wieder der FAUD an und publizierte eifrig im Syndikalist. Er starb als »völlig verarmter Proletarier« (Rocker) am 1. Januar 1931 im Alter von 69 Jahren an einer Lungenentzündung.

Die Freien Sozialisten-Anarchisten
Aus der Anarchistischen Föderation Deutschlands war 1919 reichsweit die kleine und wenig aktive Föderation kommunistischer Anarchisten (FKAD) entstanden.

Anfang März 1919 erschien in Hamburg dann die erste Ausgabe der anarchistische Wochenzeitung Alarmmit einem ‚Aufruf für die Diktatur des Proletariats‘. Die Herausgeber, die Freien Sozialisten-Anarchisten, waren agitatorisch sehr aktiv und ermunterten die Erwerbslosen und Werftarbeiter immer wieder zu Aktionen.

Anfangs arbeiteten die verschiedenen Linksradikalen (KP, AAU, FAUD und Anarchisten) noch zusammen (und planten sogar Putsche oder gemeinsame Aufstände, wenn man den Spitzelberichten der Politischen Polizei glauben schenken will). Aber das politische Gewirr lichtete sich, denn die bolschewisierte KPD drängte mit ihren russischen Rubel-Millionen und Emissären (Radek) räte-kommunistische und anarchistisch-syndikalistische Gruppen an den Rand. In Hamburg entstand aus der Rest-KPD durch den Zusammenschluss mit Thälmanns USPD-Mehrheit eine völlig neue Situation. Gegner der Partei wurden als »Abhub«, »Verräter an der Einheit« und »Abschaum der Arbeiterklasse«, als kleinbürgerlich diffamiert und auch physisch bekämpft.

»Sülzeaufstand« und Lettow-Vorbeck
Der »Sülze-Skandal« im Juni 1919 führte zu tw. gewalttätigen Unruhen. Der Senat rief nach den Sülze-Kämpfen um das Hamburger Rathaus mit dem Bahrenfelder Freikorps den Ausnahmezustand aus, und der MSPD-Reichswehrminister Gustav Noske schickte den Afrika-Schlächter Lettow-Vorbeck zur Durchsetzung der Reichsexekution mit seiner Soldateska nach Groß-Hamburg; erst im zweiten Anlauf gelang es am 1. Juli 1919 die Stadt zu besetzen: seine Reichswehr- und Freikorps-Truppen setzten bei ihrem martialischen Einmarsch (»Fenster zu, Strasse frei.«) ausgiebig Waffengewalt ein, um »Plünderer und Heckenschützen« niederzustrecken, in den Arbeitervierteln galt »Schnelljustiz« (Standrecht). Arbeiter und Funktionäre wurden oft willkürlich verhaftet und misshandelt. Die Besetzung kostete 80 Todesopfer bis zum Abzug des Lettow-Korps im Dezember.

Hamburg war danach eine andere Stadt, denn es wurde die Volkswehr aufgelöst und eine militarisierte Sicherheitspolizei geschaffen, deren Mitglieder sich großenteils aus ehemaligen Berufssoldaten und Freikorpsangehörigen zusammensetzte.
Von der bürgerlichen Presse wurde das Gerücht verbreitet, es hätte sich um einen kommunistischen Revolutionsversuch handelt. Aber die Hamburger KPD erklärte öffentlich, nichts mit den Ausschreitungen zu tun zu haben. In der Kommunistischen Arbeiterzeitung veröffentlichte sie bereits am 25. Juni einen Aufruf, der die Genossen zur Ruhe ermahnte: »Die Kommunistische Partei, die mit diesen Tumulten nichts zu schaffen hat, fordert Euch auf, Euch von Ansammlungen fernzuhalten und nicht vor die Maschinengewehre zu laufen.« Und auch nach dem Einmarsch der Reichswehr hieß es dort: »Die Partei verwirft jeden Versuch, sich mit Waffengewalt dem Einmarsch der Regierungstruppen zu widersetzen.« – Nur die Freien Sozialisten forderten mit Plakatanschlägen am 26. Juni die Arbeiterschaft auf, ihre Waffen nicht zurückzugeben, sondern weiter für den Sozialismus zu kämpfen.

Kurt Wilckens und der Schlächter von Patagonien
Kurt Wilckens war dem Alarm um Carl Langer verbunden und verfasste Erfahrungsberichte zu seiner Zeit in die USA (war er Mitglied der der revolutionären GewerkschaftIndustrial Workers of the World (IWW) und als Minenarbeiter in Arizona aktiv an Streiks beteiligt), und nach seiner Auswanderung warnte er vor Argentinien. In Buenos Aires erschoss er am 15. Januar 1922 den berüchtigten Oberst Varela, der zuvor 1.500 Streikende in Patagonien niedermetzeln ließ. Vor seinem Prozess wurde der aus Bad Bramstedt stammende Anarchist in seiner Gefängniszelle am 15. Juni 1923 von einem studentischen Mitglied der faschistischen Patriotischen Liga erschossen. Auch einhundert Jahre nach seiner Tat wird Kurt Wilckens in Argentinien als proletarischer Held und Märtyrer von der organisierten Arbeiterschaft verehrt und ob seines Mutes und seiner Opferbereitschaft gewürdigt. Hierzu finden wir die Alarm-Postkarte aus dem Jahre 1925 (handschriftlich beschrieben von Carl Langer).
Die Freien Sozialisten glitten unter dem Einfluss ihres umstrittenen Führers Carl Langer in immer individualistisch-organisationsfeindlicheres Fahrwasser ab, sie verloren ihren aktivistischen Charakter und verkümmerten als unbedeutende Anarchistische FreibundVereinigungen. Der Alarm erschien bis 1925 teilweise unregelmäßig und 1930 noch einmal kurzfristig. Zeitweilig lag die Auflage dieser reichhaltig und informativ gestalteten Zeitung bei 6 000 Exemplaren, die auch auswärts und besonders im Rheinland gelesen wurde, da sich hier Carl Langers spezielles Agitationsgebiet befand.

Aktiv bis zur Zerschlagung durch den Nationalsozialismus
1924 initiierten Karl Roche und die Hamburger AAUE den Versuch, die Revolutionäre jenseits der KPD in einem Block antiautoritärer Revolutionäre reichsweit zu einen. Die Initiative hatte nur mäßigen Erfolg.
Ende Mai 1928 fand in Hamburg der FKAD-Kongress in Hüttmann’s Hotel in der Poolstrasse (Neustadt) statt. An der Diskussion nahm auch Karl Roche als Delegierter teil.
Auf dem 19. Reichskongress der FAUD im März 1932 wurden in Hamburg neben 24 Binnenschiffern nur noch 40 Mitglieder gezählt. Die FAUD beschloss vorausschauend ihre Auflösung angesichts des Nationalsozialismus. Eine letzte Anarchistenversammlung wurde am 21. April 1932 in Wilhelmsburg ausgehoben. In einer Mitteilung vom 18. September 1935 meldet die Gestapo, dass in Norddeutschland die FAUD »jede Tätigkeit eingestellt« habe. Das stimmte nur bedingt, denn es flüchteten einige Genossen nach Spanien, schlossen sich der Sozialen Revolution von 1936-39 an und zerschlugen die NSDAP-Auslandsorganisation in Barcelona. Andere wurden ermordet (wie etwa Erich Mühsam am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg) oder kamen in Arbeitslager.

Der Anarchismus ist in Hamburg bis heute nicht tot, die Flamme ist nicht erloschen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Folkert Mohrhof | Jonnie Schlichting
Archiv Karl Roche – Regionales Archiv zur Dokumentation des antiautoritären Sozialismus – RADAS Hamburg

Quellen:
Akten aus dem Landesarchiv Berlin; Staatsarchiv Bremen; Staatsarchiv Hamburg
Materialien auf der Seite des Archiv Karl Roche
https://archivkarlroche.wordpress.com
Anarchopedia: Kurt Gustav Wilckens
http://deu.anarchopedia.org/Kurt_Gustav_Wilckens
Hans Manfred Bock, Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918-1923. Ein Beitrag zur Sozial- und Ideengeschichte der frühen Weimarer Republik, Darmstadt 1993
Marina Cattaruzza, »Organisierter Konflikt« und »Direkte Aktion«. Zwei Formen des Arbeitskampfes am Beispiel der Werftarbeiterstreiks in Hamburg und Triest (1880 – 1914); in: Archiv für Sozialforschung, Bd. 20/1980
Dieter Fricke und Rudolf Knaack (Bearbeiter), Dokumente aus geheimen Archiven. Übersichten der Berliner politischen Polizei über die allgemeine Lage der sozialdemokratischen und anarchistischen Bewegung 1878-1913. Teil III: 1906-1913, Berlin 2006
Michael Grüttner, Arbeitswelt an der Wasserkante. Sozialgeschichte der Hamburger Hafenarbeiter 1886 – 1914, Göttingen 1984
Heidi Heinzerling, Anarchisten in Hamburg. Beiträge zu ihrer Geschichte 1890-1914; in: Hamburger Zustände. Jahrbuch zur Geschichte der Region Hamburg, Bd. 1, Hamburg 1988
Kampf. (Unabhängiges) Organ für Syndikalismus und Anarchismus (Hamburg)
https://archivkarlroche.wordpress.com/kampf-organ-fur-anarchismus-und-syndikalismus/
Fritz Kater, Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften, Berlin 1912
https://archivkarlroche.wordpress.com/2022/05/17/grundung-der-fvdg-vor-125-jahren/
Ulrich Linse, Organisierter Anarchismus im Deutschen Kaiserreich von 1871, Berlin/W. 1969
Folkert Mohrhof, Der syndikalistische Streik auf dem Ozean-Dampfer ‘Vaterland’ 1914. (Archiv Karl Roche – Schriftenreihe # 1), Hamburg 2008
https://archivkarlroche.wordpress.com/2020/12/05/der-syndikalistische-streik-auf-der-vaterland/
Sven Philipski, Ernährungsnot und sozialer Protest. Die Hamburger Sülzeunruhen 1919. Hamburg 2002
http://www.kaufmann-stiftung.de/0904_Suelzeunruhen_K1.pdf
Karl Roche, Aus dem roten Sumpf oder Wie es in einem nicht ganz kleinen Zentralverband hergeht, Berlin 1909 – reprint Hamburg 2014 (Von unten auf)
Karl Roche, Sozialismus und Syndikalismus. Agitationsschriften aus dem Jahre 1919 (Archiv Karl Roche #2), Moers 2009 (Syndikat A)
Hartmut Rübner, Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarcho-Syndikalismus. Berlin/Köln 1994
Hartmut Rübner, Linksradikale Gewerkschaftsalternativen: Anarchosyndikalismus in Norddeutschland von den Anfängen bis zur Illegalisierung nach 1933; in: Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Nr. 14/1996
Paul Schreyer, Die Sozialdemokratie und der Krieg. Eine Zeit= – keine Streitfrage. Ein Wort an die Arbeiterschaft, Kopenhagen 1914
Institut für Syndikalismus-Forschung, Geschichte der syndikalistischen Arbeiterbewegung in Deutschland – Ein virtuelles Museum
http://www.syndikalismusforschung.info/museum.htm
Wayne Thorpe, The Workers Themselves. Revolutionary Syndicalism and International Labour 1913 – 1923, Dodrecht – Boston – London 1989

Zu den Bildern/Postkarten:
Mitbürger, auf zur Wahl! Postkarte der AFH, Mai 1913 ; auch im Kampf, Nr. 11, Mai 1913. Das Motiv wurde von der KAPD-AAU-KAJ Berlin 1922 wieder verwendet.
Die Wilckens-Postkarte des Alarm ist aus dem Jahre 1924. Sie ist von Carl Langer unterschrieben. (Pierre Ramus Papers im IISG; Nr. 1162.40).


Abkürzungen
AAU, AAUD: Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands
AAUE: Allgemeine Arbeiter-Union (Einheitsorganisation)
ADGB: Allgemeiner Deutscher Gewerkschafts-Bund
AFD: Anarchistische Föderation Deutschlands
AFH: Anarchistische Föderation Hamburg und Umgebung
AU: Arbeiter-Union (Hamburg)
FAUD: Freie Arbeiter-Union Deutschlands/Anarcho-Syndikalisten
FKAD: Föderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands
FVdG: Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften
IISG: Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam
IWW: Industrial Workers of the World
KAJ: Kommunistische Arbeiter-Jugend
KAPD: Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands
KP, KPD: Kommunistische Partei Deutschlands
MSPD: Mehrheits-Sozialdemokratische Partei Deutschlands
NSDAP: Nationalsozialistische Arbeiter-Partei Deutschlands
SFH: Syndikalistische Föderation Hamburg
SPD: Sozialdemokratische Partei Deutschlands
USPD: Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Fritz Kater

Die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften
und ihr Kampf in der deutschen Bewegung.[1]

Zur Verfassung der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVdG) gibt es nicht viel zu sagen. Sie besteht hauptsächlich aus Gewerkschaften der Bauindustrie. Diese Industrien befinden sich jedoch bereits seit mehreren Jahren in einer akuten Krise, und dort herrscht eine solche Arbeitslosigkeit, wie man sie seit einer Generation nicht mehr erlebt hat. Es versteht sich von selbst, daß diese Krise auf die Verbreitung der Agitation und auf alle organisatorischen Aktionen dieser Gewerkschaften Auswirkungen hat, und zwar in verschiedene Richtungen.

Infolge dieser anhaltenden Arbeitslosigkeit wechseln viele Mitglieder unserer Organisationen ihren Beruf, und der Terrorismus in den großen deutschen Zentralgewerkschaften zwingt sie häufig dazu, sich einer der letzteren anzuschließen. Dies sind einige der Gründe, warum unsere Mitglieder­zahl trotz unserer eifrigen Agitation seit dem ersten internationalen Syndikalistenkongreß in London im Jahr 1913[2] zurückgegangen ist.

Natürlich haben auch die zentralistischen Gewerkschaften der sozialdemokratischen Richtung, die freien Gewerkschaften, wie sie im Gegensatz zu den christlichen und katholischen Gewerk­schaften genannt werden, stark unter der Baukrise gelitten; aber diese Gewerkschaften haben ein Rekrutierungsmittel, das für die deutschen Volksmassen nicht an Attraktivität mangelt. Dies sind die Hilfskassen für den Fall von Krankheit, Reisen, Invalidität oder Bestattung sowie eine ganze Reihe anderer Einrichtungen der gegenseitigen Hilfe, die zusammen oft drei Fünftel und noch mehr der Einnahmen dieser Gewerkschaften verschlingen.

Die Zahl der deutschen Arbeiter, die aus prinzipiellen und ideellen Gründen einer Gewerkschaft beitreten, ist so gering, daß man sie wirklich mit der Laterne von Diogenes in diesem Land suchen sollte[3].

Deutschland steht nicht nur in allen Fragen des Militarismus und der Bürokratie an der Spitze der modernen Staaten, es dominiert auch die Arbeiterbewegung.

Der Geist des Kasernenmilitarismus, die Anbetung der Gewerkschaftsfunktionäre, der Geist der Disziplin […] der zweieinhalb Millionen Arbeiter und Arbeiterinnen, die sich unter der engen Aufsicht ihrer Beamten befinden, all dies steht im Gegensatz zu unseren syndikalistischen Ideen. Hinzu kommt die Existenz von 58 bis 59 Gewerkschaftszeitungen, die einmal oder mehrmals pro Woche erscheinen, und etwa sechzig sozialdemokratische Tageszeitungen, die alle zusammen den reformistischen Gewerkschaftsgeist fördern und verbreiten.

Dies sind die Mauern, die die Syndikalisten stürmen müssen. Gewiß, unsere Organisationen verteilen sich auf das gesamte Reich, und der [revolutionäre] Syndikalismus hat schon jetzt in fast allen wichtigen Städten Ableger. Wir haben außerdem bereits zwei wöchentliche Organe: die Einigkeit und den Pionier, von denen letzterer auch in reformistischen Gewerkschaftskreisen gelesen wird. Nur, was ist all das angesichts der Handlungsmöglichkeiten gegen den revolutionären Syndikalismus wert, die den parlamentarischen Sozialisten und reformistischen Gewerkschaftern zur Verfügung stehen? Fehlinterpretationen, Lügen, Beleidigungen in Bezug auf den Syndikalismus in Deutschland; selbst die Denunziation von Klassenkameraden gegenüber Polizei und Justiz fehlt nicht in den sozialdemokratischen Zeitungen und in der reformistischen Gewerkschaftspresse, wenn es um den Kampf gegen revolutionäre Gewerkschafter geht. Wenn die revolutionären Genossen aus Frankreich, Italien, Spanien, England, Amerika usw. nur ein Hundertstel von allem hören könnten, was diese Presse deutschen Arbeitern über die Lehren und Kampftaktiken des [revolutionären] Syndikalismus erzählt, dann sie würden sich angewidert von solchen Menschen abwenden und alle Anstrengungen unternehmen, um die Revolutionäre Internationale zu entwickeln. [Sie könnten dann] die tieferen Gründe [verstehen], warum wir revolutionären Syndikalisten in Deutschland so wenig Fortschritte machen.

Noch etwas. Mehrmals, das erste Mal aus dem Mund des Genossen Jouhaux[4] aus Paris, ein anderes Mal durch die Stimme des Genossen Tom Mann[5] aus London, hat man uns im Besonderen und den Syndikalisten aller Länder im allgemeinen den Rat gegeben, unsere besonderen Gewerk­schaften aufzugeben, um mit der Propaganda syndikalistischer Ideen innerhalb der zentralistischen Gewerkschaften zu beginnen. Diese Genossen und alle, die so denken, beurteilen die Situation in anderen Ländern nach den Möglichkeiten, die sich in ihrem eigenen Land bieten. Sie sind sich insbesondere der Situation in Deutschland nicht bewußt, in der der parlamentarische und reformis­tische Geist und die Gewerkschaftsdisziplin seit mehr als einem Vierteljahrhundert in die Massen eingedrungen sind und dort gearbeitet haben.

Die Annahme, daß man syndikalistische Prinzipien in diesen Gewerkschaftskreisen erfolgreich verbreiten könnte, ist gleichbedeutend mit der Annahme, daß man in einer deutschen Kaserne als Soldat antimilitaristische Propaganda betreiben könnte.

Während der antimilitaristische Soldat zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt wird, würde der revolutionäre Syndikalist, der es wagt, seine Ansichten offen zu verbreiten, ohne eine so harte Strafe zu erhalten, dennoch unfehlbar bestraft werden. Zuallererst würde man ihn zwingen zu Schweigen; für den Fall, daß er nicht schweigen will, sondern weiterhin seine Ideen geltend macht, würde er gemäß diesem oder jenem Artikel der Satzung aus der Gewerkschaft ausgeschlossen. Wenn er seine Propaganda gegen die Gewerkschaft fortsetzen würde […], würden die sozialdemo­kratischen Tageszeitungen und die reformistische Gewerkschaftspresse über ihn herfallen. Wehe ihm, wenn er darüber hinaus gezwungen war, sein Brot in der Fabrik oder Werkstatt zu verdienen. In solchen Fällen haben die Gewerkschaftsbeamten den von den Gewerkschaftsmitgliedern ange­wandten Terrorismus in Anspruch genommen; und wirklich, in Deutschland braucht es nicht viel, um einen rebellischen Geist auf unfreiwillige Arbeitslosigkeit und Hunger zu reduzieren. Das ist deutsche Gewerkschaftsdisziplin.

Und deshalb werden wir außerhalb der großen deutschen Gewerkschaften bleiben, um die Prinzipien und Taktiken des revolutionären Syndikalismus zu predigen. Um dies zu erreichen, brauchen wir eigene Gewerkschaften in allen Zentren des Deutschen Reiches, die diese Prinzipien und diese Taktik vertreten, sie in alle Richtungen verbreiten und die Kosten dafür tragen.

Fritz Kater (Berlin)

Allemagne

L’union libre des syndicats allemands et sa lutte dans le mouvement allemand.

Fritz Kater (Berlin)

Sur la constitution de l’union libre des syndicats allemands (Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften). Il n’y a pas grand-chose à dire. Elle se compose surtout de syndicats des industries du bâtiment. Cependant ces industries traversant depuis plusieurs années déjà une crise aiguë, il y règne un chômage tel qu’on n’en n’avait jamais vu depuis toute une génération. Il va sans dire que cette crise réagit sur la propagande d’agitation et sur toute l’action organisatrice de ces syndicats et cela dans plusieurs directions

Par suite de ce chômage persistant, nombre des membres de nos organisations changent de métier et le terrorisme existant dans les grandes unions centrales allemandes les oblige souvent alors à adhérer à une de ces dernières. Voilà quelques-unes des causes pour lesquelles, malgré toute l’ardeur de notre agitation, il faut constater un recul du nombre de nos membres depuis le premier congrès syndicaliste international tenu à Londres en 1913.

Certes, les unions centralistes d’obédience social-démocrate, les unions libres comme elles s’appellent en opposition aux unions chrétiennes et catholiques, ont aussi beaucoup souffert de la crise du bâtiment; mais ces unions ont un moyen de recrutement qui ne manque pas d’attraction pour les masses populaires allemandes. Ce sont les caisses de secours en cas de maladie, de voyage, d’invalidité ou d’enterrement et toute une série d’autres institutions de secours mutuels qui, toutes ensemble, dévorent souvent les trois cinquièmes et même plus des recettes de ces Unions.

Le nombre des ouvriers allemands qui adhèrent à un syndicat pour des motifs de principe et d’idéal est tellement minime qu’on devrait vraiment aller les chercher dans ce pays avec la lanterne de Diogène.

L’Allemagne ne se trouve pas seulement au premier rang des États modernes pour tout ce qui est du militarisme et de la bureaucratie, elle domine de même dans le mouvement ouvrier.

L’esprit du militarisme de caserne, l’adoration des fonctionnaires syndicaux, l’esprit de discipline […] des deux millions et demi d’ouvriers et d’ouvrières se trouvant sous la surveillance étroite de leurs fonctionnaires, tout cela est en opposition avec nos idées syndicalistes. Ajoutons encore l’existence de 58 à 59 journaux corporatifs paraissant une fois ou plus par semaine et quelques soixante quotidiens social-démocrates qui tous ensemble cultivent et propagent l’esprit syndical réformiste.

Voilà les remparts dont les syndicalistes doivent faire l’assaut. Certes, nos organisations se répartissent sur l’Empire entier et le syndicalisme [révolutionnaire] a donc d’ores et déjà des ramifications dans presque toutes les villes de quelque importance. Aussi possédons-nous déjà deux organes hebdomadaires: la Einigkeit (Concorde) et le Pionier dont le dernier est aussi lu dans les milieux syndicaux réformistes. Seulement, que vaut tout cela en face des moyens d’action dont disposent, contre le syndicalisme révolutionnaire, les socialistes parlementaires et les syndicalistes réformistes. Fausses interprétations, mensonges, insultes concernant le syndicalisme en Allemagne; même les dénonciations de camarades de classe auprès de la police et de la justice, rien ne manque dans les journaux social-démocrates et dans la presse syndicale réformiste, lorsqu’il s’agit de combattre les syndiqués révolutionnaires. Si les camarades révolutionnaires de France, d’Italie, d’Espagne, d’Angleterre, d’Amérique, etc. pouvaient entendre seulement un centième de tout ce que cette presse raconte aux ouvriers allemands sur les doctrines et le tactique de lutte du syndicalisme [révolutionnaire], ils se détourneraient avec dégoût de ces gens-là et feraient tous les efforts pour développer l’Internationale révolutionnaire. [Ils pourraient alors comprendre] les raisons profondes pour lesquelles nous autres syndicalistes révolutionnaires faisons si peu de progrès en Allemagne.

Encore quelque chose. A plusieurs reprises, la première fois par la bouche du camarade Jouhaux de Paris une autre fois par la voix du camarade Tom Man de Londres, on nous a donné le conseil, à nous en particulier et aux syndicalistes de tous les pays en général, d’abandonner nos syndicats particuliers pour commencer la propagande des idées syndicalistes au sein même des unions centralistes. Ces camarades et tous ceux qui pensent comme eux, jugent de la situation des autres pays d’après les possibilités qui se présentent dans leur propre pays. Ils méconnaissent tout particulièrement la situation en Allemagne où l’esprit parlementaire et réformiste et la discipline syndicale ont pénétré et travaillé les masses depuis plus d’un quart de siècle.

La supposition qu’on pourrait avec succès propager dans ces milieux syndicaux les principes syndicalistes équivaut à cette autre: qu’on pourrait, dans une caserne allemande, faire comme soldat de la propagande antimilitariste.

Si le soldat antimilitariste est [condamné à] plusieurs années de prisons, le syndicaliste révolutionnaire, qui oserait ouvertement propager ses opinions, tout en ne recevant pas une punition aussi sévère, serait quand même puni infailliblement. Tout d’abord, on lui imposerait catégoriquement le silence; au cas où il ne voudrait pas se taire, mais où il continuerait à affirmer ses idées, il serait conformément à tel ou tel article des statuts exclu du syndicat. S’il continuait sa propagande contre le syndicat […], les quotidiens social-démocrates et la presse corporatiste réformiste lui tomberaient dessus. Malheur à lui s’il était par-dessus le marché forcé de gagner son pain à la fabrique ou à l’atelier. Souvent dans de pareils cas, les fonctionnaires syndicaux ont fait appel au terrorisme appliqué par les adhérents du syndicat; et, vraiment, il n’en faut pas beaucoup en Allemagne pour réduire un esprit rebelle au chômage involontaire et à la faim. C’est là la discipline syndicale allemande.

Et voilà pourquoi nous resterons en dehors des grands syndicats allemands, pour prêcher les principes et la tactique du syndicalisme révolutionnaire. Pour pouvoir le faire, nous avons besoin de syndicats séparatistes dans tous les centres de l’Empire allemand, qui porteurs de ces principes et de cette tactique, en font la propagande dans toutes les directions et en supportent les frais.

[Source : La Voix du Peuple, 20-26.04.1914]


[1]     Fritz Kater, Le syndicalisme révolutionnaire en Allemagne; in: La Voix du Peuple, 20 – 26. April 1914 (nach der Fassung auf Pelloutier Net). Übersetzung und Anmerkungen: Jonnie Schlichting.

[2]     https://en.wikipedia.org/wiki/First_International_Syndicalist_Congress

[3]     Anspielung auf den griechischen Philosophen Diogenes von Sinope (ca. 413 – 323 v.u.Z.), der einmal am hellen Tag auf dem Marktplatz von Athen mit einer Laterne herumlief und auf die Frage, was das solle, antwortete: »Ich suche einen Menschen.«

[4]     Léon Jouhaux (1879 – 1954) https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A9on_Jouhaux

[5]     Tom Mann (1856 – 1941) https://de.wikipedia.org/wiki/Tom_Mann

Vom 17.-19. Mai 1897 versammelten sich in Halle an der Saale Vertrauensleute der lokalorganisierten Gewerkschaften und gründeten die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften, die FVdG. Sie ist die Vorgängerorganisation der Freien Arbeiter-Union Deutschlands, die 1919 ins Leben gerufen wurde.

Wie die sozialdemokratische Presse auf den Aufruf zur Sammlung der Lokalisten reagierte, zeigt diese Antwort des Redakteurs der SPD-Zeitung „Volksblatt für Harburg, Wilhelmsburg und Umgebung“:

Antwortschreiben Harburger Volksblatt 1897

Wir veröffentlichen hier eine Schrift zum 15-jährigen Bestehen der FVdG aus dem Jahre 1912, verfasst von Fritz Kater, einem der führenden Aktivisten und späteren langjährigen FAUD-Genossen.

Hamburg, den 17. Mai 2022

Nach dem versuchten VKPD-Aufstandsversuch am 23. März 1921 kam es zu folgendem Urteil.

Die eingerichteten Außerordentliche Gerichte machten kurzen Prozeß. Wir greifen hier nur die Zeitungsmeldungen zur Verurteilung des Genossen Karl Roche für die Unionist-Ausgabe Nr. 13 heraus.

Hamburger Anzeiger, 13. April 1921:

Weitere Aufruhrsachen vor dem Sondergericht.

Kommunistische Flugblätter und Weiterdruck der Volkszeitung.

Wegen Vorbereitung zum Hochverrat haben sich vier Personen zu verantworten: Der Gewerkschaftssekretär der V. K. P. D. Karl Sehnbruch, der Student der Philosophie Werner Heinz Neumann aus Berlin, zurzeit politischer Kommissar der V. K. P. D. Wasserkante, der Buchdruckereibesitzer Albert Friedrich Heil und der frühere Bauarbeiter und jetzige Invalide Karl Roche. Es handelt sich um die Herausgabe aufreizender Flugblätter und den Druck des Unionists, des Organs der „Arbeiterunion“, und um die Fortsetzung der verbotenen Volkszeitung. Der Angeklagte Heil ist Inhaber einer kleinen Druckerei, in der der Unionist gedruckt wird. In der letzten Nummer dieser Zeitung sollen aufreizende Artikel enthalten sein, wofür der Angeklagte Roche verantwortlich gemacht wird, der aber die Verantwortung ablehnt. Er habe lediglich die Manuskripte in die Druckerei gebracht, aber sich um den Inhalt nicht gekümmert. Am Tage vor Ostern druckte Heil im Auftrage der Leitung der V.K.P.D. ein aufreizendes Flugblatt, dessen Inhalt er aber nicht gelesen haben will. Die Polizei bekam Wind von der Sache, besetzte die Druckerei und nahm die Angeklagten Sehnbruch und Neumann, die dort erschienen, in Haft. Sehnbruch, der aus München ausgewiesen ist, war erst ein paar Tage in Hamburg und will nichts gewußt haben. Neumann ist nach Hamburg gekommen und hat sich der V.K.P.D. zur Verfügung gestellt. Er behauptet, eine Fortsetzung der verbotenen Volkszeitung sei nicht beabsichtigt gewesen: er habe sich lediglich um den Druck der in Kiel und Bremen erscheinenden Kopfblätter der Volkszeitung gehandelt, die nicht verboten gewesen seien.

Der Staatsanwalt beantragt die Freisprechung von Sehnbruch und Neumann, gegen die nichts erwiesen sei; gegen Roche und Heil wird Festungshaft von einem Jahre  und von 18 Monaten beantragt. Das Urteil lautet gegen Sehnbruch und Neumann antragsgemäß auf Freisprechung, gegen Roche auf ein Jahr und gegen Heil auf 18 Monate Festungshaft. •

Neue Hamburger Zeitung, 13. April 1921:

Außerordentliches Gericht des Reichs.

Ik. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat stehen vor dem Gericht: der Gewerkschaftssekretär Karl Sehnbruch, der Student Werner Heinz Neumann, der Buchdruckereibesitzer Albert Friedrich Heil und der Bauarbeiter Carl Roche. Es handelt sich um die Herausgabe aufreizender Flugblätter und die Fortsetzung der verbotenen Volkszeitung. Der Angeklagte Heil hat eine kleine Buchdruckerei, in der der Unionist, das Organ der Arbeiter-Union, gedruckt wird. Es wurde am Tage vor Ostern von der Führung der V. K. P. D. beauftragt, Flugblätter für Landarbeiter zu drucken, auch verhandelte man mit ihm über den Druck einer Zeitung, die nach der Meinung der Polizei die verbotene Volkszeitung ersetzen sollte. Heil nahm den Auftrag aus geschäftlichen Rücksichten an, politisch hat er nichts mit den Kommunisten und Unionisten zu tun.

Der Angeklagte Roche soll bei diesen Geschäften die Vermittlerrolle gespielt haben. Die Polizei besetzte die Heilsche Druckerei und nahm Sehnbruch und Neumann, die in der Druckerei erschienen, in Haft. Sehnbruch wurde seiner Darstellung nach vom Parteisekretär Behring in die Heilsche Druckerei gesandt, um sich zu erkundigen, ob die Flugblätter fertig seien. Weiter will er von der Sache nichts wissen.

Neumann, ein Berliner Student der Philosophie, ist vor einiger Zeit nach Hamburg gekommen, um sich der V. K. P. D. zur Verfügung zu stellen. Er hatte eine Legitimation als „politischer Kommissar der V. K. P. D. Wasserkante“ bei sich, als er verhaftet wurde. Er bestreitet, daß eine Fortsetzung der verbotenen Volkszeitung beabsichtigt gewesen sei; es habe sich lediglich um den Druck der in Bremen und Kiel erscheinenden Kopfblätter der Volkszeitung gehandelt, die nicht verboten gewesen seien. Dem Roche wird vorgeworfen, daß er in dem Unionist aufreizende Artikel veröffentlicht habe. Er erklärte, daß er für den Inhalt dieser Zeitung nicht verantwortlich gemacht werden könne, er sei lediglich Bote gewesen.

Nach Schluß der Beweisaufnahme beantragt der Anklagevertreter die Freisprechung für Sehnbruch und Neumann, deren Schuld nicht einwandfrei nachgewiesen sei. Heil und Roche müßten bestraft werden, weil sie aufreizende Druckschriften zu verbreiten versucht hätten. Gegen Roche wird ein Jahr Festungshaft, gegen Heil werden 18 Monate Festungshaft beantragt. Das Urteil lautet in bezug auf Neumann und Sehnbruch antragsgemäß auf Freisprechung. Roche trage die Verantwortung für die aufreizenden Artikel des Unionist. Er wird zu einem Jahr Festungshaft verurteilt.

Heil, der aus geschäftlichen Interessen die aufreizenden Druckschriften hergestellt hat, wird zu 18 Monaten Festungshaft und wegen Preßvergehens zu 150 Mark Geldstrafe verurteilt. •

Gerichts-Bericht des Hamburgischen Correspondenten vom 13. April 1921:

Vor dem außerordentlichen Gericht standen ferner der aus Bayern wegen politischer Umtriebe ausgewiesene Gewerkschaftssekretär Karl Sehnbruck, der Student der Philosophie Werner Neumann aus Berlin, der Druckereibesitzer Albert Friedrich Heil und der mehrfach wegen politischer Vergehen [Anmerkung: vornehmlich im Kaiserreich!] bestrafte frühere Bauarbeiter Johann Friedrich Rocke unter der Anklage der Verleitung zum Hochverrat. Bei der Ueberholung der Heilschen Druckerei am 26. März traf die Polizei dort die Angeklagten Neumann, Sehnbruch und Rocke an. Bei der Durchsuchung der Druckerei fand man eine Anzahl Manuskripte hetzerischen Inhaltes für Flugblätter der kommunistischen Partei, sowie für die Arbeiter-Union. Ebenso den fertiggestellten Satz eines solchen Blattes. Alles wurde beschlagnahmt. Man vermutete auch, dass die kommunistischen Schriften zur Fortsetzung der verbotenen Hamburger Volkszeitung dienen sollten. Die Angeklagten Sehnbruch und Neumann erklärten nun, sie hätten durchaus keinerlei Kenntnis von dem Inhalt der zu Heil gebrachten Manuskripte gehabt. Sie seien der Meinung gewesen, dass es zu Kopfblättern für Zeitungen für Kiel und Bremen dienen sollte, die sonst in der Volkszeitung gedruckt wurden.

Heil sagte aus, er habe das Organ der Arbeiter-Union, den ‚Unionist’, gedruckt. Als ihm Rocke das in Rede stehende Manuskript gebracht hatte, habe er es für illegal gehalten. Rocke habe seine Bedenken aber zu zerstreuen gewusst, indem er erklärte, es werde ja nur die Ansicht der Kommunisten, nicht die der Unionisten zum Ausdruck gebracht. Rocke will nur der Bote der Arbeiter-Union gewesen sein und als solcher wiederholt, wie auch am 26. März, mit Heil über einen Druckauftrag verhandelt haben. Nach der Beweisaufnahme hielt Oberstaatsanwalt Hollender eine Vorbereitung zum hochverräterischen Unternehmen seitens der Angeklagten Sehnbruch und Neumann nicht für erwiesen und beantragte deren Freisprechung, aber gegen Heil, der aus Gewinnsucht gehandelt hatte, 15 Monate, gegen Rocke 1 Jahr Festungshaft. Das Gericht erkannte diesen Anträgen gemäß. •

Das hamburgische Börsenblatt – Hamburgischer Correspondent – kann weder das Urteil richtig wiedergeben noch den Namen des Angeklagten Sehnbruch noch den unseres Genossen Roche.

* * *

Uns liegt ja die inkriminierte Ausgabe Nr. 13 des Unionist vor (pdf):

Die Fakten sind sehr mehrdeutig: Karl Roche war zwar Mitglied der Pressekommission der AAU Groß-Hamburg, aber er war nicht für die Ausgabe Nr. 13 des Unionist verantwortlicher Redakteur (gezeichnet war die Ausgabe mit Kurt Meyer, Berlin). Außerdem erschien die Ausgabe definitiv erst nach Ostern, denn die Schlagzeile lautet: „Die Oster-Erhebung des revolutionären Proletariats!“ und greift die Hausdurchsuchung im Büro der AAU in der Straße Kohlhöfen 20 in der Nacht vom 25. auf den 26. März heftig mit einem Offenen Brief an den SPD-Polizeisenator Hense an.

Zudem beweist das Vernehmungsprotokoll der Polizeibehörde, Abteilung II, vom 31. März 1921, dass die „Beschlagnahme der Zeitschrift Unionist Nr. 13 in der Hauptsache erfolgt“ ist. Das Impressum entsprach nach Richterspruch nicht dem Pressegesetz, da die Druckerangabe: „Kommissionsdruck“ und die Verlagsangabe: „Pressekommission der A.A.U. Gross-Hamburg“ „als Firmen nicht anzusehen und auch sicher nicht eingetragen sind“.

* * *

Anmerken müssen wir, dass in der 14. Ausgabe des Unionist vom 8. April 1921 Karl Roche als Verantwortlicher im Impressum aufgeführt ist.

Die Beschlagnahme der 13. Unionist-Ausgabe erfolgte am 30. März, die Hausdurchsuchung des AAU-Büros (Hamburg 3, Kohlhöfen 20) fand am 25./26. März statt. – Die Termine sind nach dem Aufstands- oder Putschversuch am 23. März 1921 – Ostersonntag war der 27. März 1921.

Der Gewerkschaftssekretär der KPD, Karl Sehnbruch, ist nicht weiter bekannt geworden; der Student Werner Heinz Neumann ist der spätere Sekretär Ernst Thälmann. Er fällt unter Stalin in Ungnade und wird 1937 liquidiert.  

*

Ein ausführlicher Artikel zum Hamburger KPD-Aufstandsversuch vom 23. März 1921 findet sich hier:

https://muckracker.wordpress.com/2021/04/11/der-kpd-aufstand-in-hamburg-1921/

Hier nun auch als pdf-Datei zum download …

Die ‚Vaterland‘ in voller schwarz-weiß-roter Pracht

Die Schiffsglocke der ‚Vaterland‘
Titelseite Broschüre von 1919

roche_signet
Werte Genossinnen und Genossen der »da«-Redaktion,

wir haben mit Freude festgestellt, daß ihr Karl Roches Artikel „Faulheit als politisches Kampfmittel” (Der Syndikalist Nr. 30 vom 5. Juli 1919 [I. Jahrgang]) in der »da« Nr. 233 (Januar/Februar 2016, S. 8) abgedruckt habt. Der Text ist auch heute noch, fast 100 Jahre nach seiner Entstehung und unter sehr anderen Bedingungen, eine durchaus aktuelle Aufklärung über das Kampfmittel der passiven Resistenz am Arbeitsplatz.

K. Nebel hat außerdem in der kurzen biographischen Notiz („Über den Autor”) auch den aktuellen Stand unserer Forschungen zur Biographie Karl Roches verwertet (1).

Etwas irritiert hat uns allerdings, daß K. Nebel nicht die Quelle ihrer/seiner Erkenntnisse nennt, und auch, daß in der »da« nicht erwähnt wird, daß der Artikel von Karl Roche von der Seite des „Archiv Karl Roche” übernommen wurde (2). Auch ein Hinweis hätte nicht geschadet, daß Roches wichtige und überaus lesenswerte Schrift „Aus dem roten Sumpf” mittlerweile wieder im Hamburger Verlag »Von unten auf« als Reprint vorliegt (3).

Die Verbreitung der Texte von unserer Website ist uns selbstverständlich höchst willkommen. Vorbildlich praktiziert das z.B. die verdienstvolle Seite www.anarchismus.at in Österreich, die ihre Quellen offen legt und verlinkt. Das gebietet nicht nur der schlichte Anstand, sondern auch die journalistische Redlichkeit. Und selbst in der bürgerlichen Wissenschaft ist eine Grundvoraussetzung, die Quellen offen zu legen (ein Verstoß dagegen kann, wenn er auffliegt, beispielsweise einen Verteidigungsminister stürzen – womit wir natürlich die »da«-Redaktion und K. Nebel nicht in die Nähe solcher Leute rücken wollen).

Uns geht es selbstverständlich nicht um solche Kinkerlitzchen wie ‚geistiges Eigentum‘ (die Monopolisierung von Schriften der Bewegung überlassen wir jemandem wie dem Rudolf-Rocker-Rechte-Inhaber H. Becker und seinesgleichen). Allerdings denken wir, daß ihr als Redaktion einer anarchosyndikalistischen Zeitung einer Sorgfaltspflicht unterliegt, die sich positiv von der in vielen Teilen der bürgerlichen Presse praktizierten (sagen wir mal) Nachlässigkeit abheben muß.

Wir veröffentlichen unsere Anmerkungen als Offenen Brief, da wir, wie ihr sicher verstehen werdet, nicht zwei Monate warten wollen, bis die nächste »da« erscheint. Wir erwarten natürlich, daß ihr ihn auch dort abdruckt.

Mit sozialistischen Grüßen

Folkert Mohrhof & Jonnie Schlichting
Archiv Karl Roche

P.S.: Bei der Besprechung der rumänisch-deutsche Zeitschrift »revista BUNĂ« (»da« Nr. 231, September/Oktober 2015, S. 14) fehlte (sicherlich ebenfalls aus Versehen) die Bezugsmöglichkeit:
https://revistabuna.wordpress.com/bestellung-abo/

Fußnoten:
(1) Folkert Mohrhof/Jonnie Schlichting, Wer war Karl Roche? Eine politisch-biographische Skizze zu seinem 150. Geburtstag; in: barrikade, Nr. 8, Juni 2013, S. 4 – 11; online: https://archivkarlroche.wordpress.com/2012/10/29/wer-war-karl-roche-2/
(2) https://archivkarlroche.wordpress.com/archiv-karl-roche/artikel-von-karl-roche/zeitungsartikel/faulheit-als-politisches-kampfmittel/
(3) http://von-unten-auf.org/2014/04/15/karl-roche-aus-dem-roten-sumpf-oder-wie-es-in-einem-nicht-ganz-kleinen-zentralverband-hergeht/

Wer war Karl Roche?

Wer war Karl Roche?
Eine politisch-biographische Skizze zu seinem 150. Geburtstag
31. Oktober 1862 – 1. Januar 1931

Vorbemerkung
Wir legen mit diesem Text eine erweiterte und überarbeitete Fassung unserer bisherigen Forschungen zur Biographie Karl Roches vor. Er hat immer noch den Charakter einer vorläufigen Skizze. Obwohl bei weitem nicht vollständig, konnten wir doch wieder Lücken schließen und wohl jetzt definitiv Fehlinformationen korrigieren, die sich vor allem in der älteren Literatur finden und meist die Zeit bis zum Ende des Ersten Weltkrieges im Jahre 1918 betreffen. [1]
Als ‚Barfuß-Historiker‘, ohne akademische Institutionen (und deren finanzielle Mittel) in der Hinterhand, sind wir selbstverständlich immer etwas eingeschränkt in unseren Forschungen, da wir beispielsweise alle Recherchen aus der eigenen Tasche finanzieren müssen (von dem Zeitaufwand ganz zu schweigen). Deshalb sind wir den uns nahestehenden Personen und Einrichtungen, die in der Regel wie wir ihre Forschungen für ‚Gottes Lohn‘ betreiben, für ihre Unterstützung, ihr großzügig geteiltes Wissen – und ihren nicht minder großzügig geteilten Materialfundus – besonders verbunden. Nennen möchten wir vor allem Frank Potts (Berlin und Amsterdam), der mit seinen Archivrecherchen manches Loch zu schließen half; weiter das Institut für Syndikalismus-Forschung, und dort besonders Helge Döhring, der mit Material, Rat und Tat und konstruktiver Kritik nicht geizte. Schließlich geht unser Dank an die Kolleginnen und Kollegen in den Stadt- und Staatsarchiven und Universitäts-Bibliotheken in Bochum, Hamburg, Bremen, der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Hamburg, der Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg und, last but not least, dem Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis (IISG) in Amsterdam.

Folkert Mohrhof – Jonnie Schlichting
Archiv Karl Roche – Regionales Archiv zur Dokumentation des antiautoritären Sozialismus (RADAS) – Hamburg
im Oktober 2012

Wer war Karl Roche?

Johann Friedrich Carl [2] Roche: Geboren am 31. 10. 1862 in Königsberg/Ostpreußen – gestorben am 1. 1. 1931 in Hamburg. Er war verheiratet mit Emma Auguste, geb. Lange, geboren am 22. 8. 1864 in Thorn/Ostpreußen. Sie hatten miteinander wenigstens 2 Kinder [3].
Seine Eltern sind Christian Roche und Dorotea, geb. Böhm [4].

Nach Absolvierung der Volksschule [5] schlägt sich Roche mehrere Jahre als Wanderarbeiter (wohl hauptsächlich in der Landwirtschaft [6] durch. In diesem Zusammenhang wird er mehrfach »wegen Landstreichens und Bettelns« zu Gefängnis und Zwangsarbeit in kommunalen Arbeitshäusern (»Überweisung«) verurteilt.[7]

Im Jahre 1887 oder 1888 – noch während des »Sozialisten-Gesetzes« – tritt Roche der illegalen sozialdemokratischen Partei bei [8]. Roche muß keinen Militärdienst leisten, da er sein linkes Auge verloren hat [9]. 1891 wird er in der von der »Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands« geführten Gewerkschaftsbewegung aktiv [10], zuerst im »Verband der Fabrik-, Land- und gewerblichen Hülfsarbeiter Deutschlands« [11], für den er als Agitator hauptsächlich im Hamburger Umland tätig ist. In dieser Zeit wird Roche zweimal zu mehrmonatigen Haftstrafen wegen »Beleidigung« bzw. »Majestätsbeleidigung« verurteilt [12]. Im Jahre 1897 erfolgt der Übertritt zum »Verband der Bau-, Erd- und gewerblichen Hülfsarbeiter Deutschlands« [13], auch hier ist er bis Anfang 1902 vor allem im Bereich Groß-Hamburg und in Schleswig-Holstein als Agitator sowie literarisch (Artikel im Verbandsorgan Der Arbeiter) aktiv [14] – was ihm wegen »öffentlicher Beleidigung« eine vierzehntägige Haftstrafe einbringt [15].

Im April 1902 geht Roche nach Elberfeld-Barmen (Wuppertal)[16], wo er 1905 vom »Verband« als Gauleiter für Rheinland-Westfalen angestellt wird [17]. Anfang 1906 übersiedelt er nach Bochum/Westfalen, wo er als »Lokalangestellter« (Zweigstellenleiter) tätig ist [18], bis er ab dem 2. Mai 1907 wieder nach Hamburg kommt, um als »Bürohilfsarbeiter« beim Hauptvorstand des »Verbandes« zu arbeiten.[19] Anläßlich seines Umzugs nach Hamburg 1907 stellt die Polizeiverwaltung der Stadt Bochum Roche das Qualitätszeugnis aus, er sei »in der sozialdemokratischen Partei wie in der freigewerkschaftlichen Arbeiter-Bewegung in schärfster und gehässigster Weise tätig« gewesen [20], was sich u. a. in zwei Geldstrafen »wegen öffentlicher Beleidigung eines Polizeibeamten« niederschlug.

Für den Hauptvorstand verfaßt Roche drei größere Untersuchungen, ohne daß seine Autorenschaft gewürdigt, geschweige denn genannt wird [21]. Die ausgesprochen schlechte Behandlung der angestellten ’niederen Chargen‘ durch die Vorstandsmitglieder und der ungehobelte Umgangston mit ihnen erinnert an ostpreußische Gutsbesitzer, nicht an Kollegen und Genossen, die die Befreiung der arbeitenden Klassen auf ihre Fahnen geschrieben haben. Roche kommen erste Zweifel: »Als ich drei Monate im Büro war, wusste ich, diese Menschen predigten öffentlich das lautere Wasser der Nächstenliebe, Selbstlosigkeit und Solidarität und berauschten sich heimlich am toll machenden Wein niedrigster Herrschsucht.« [22] Eine weitere Merkwürdigkeit sind die Geschäfte des Genossen Albert Töpfer [23], der als stellvertretender Verbands-Vorsitzender und Redakteur des Bauhilfsarbeiters ein Jahresgehalt von 2.600 Mark erhält (und insgesamt ein Jahreseinkommen von 5.000 Mark versteuert), Besitzer von mehreren Mietshäusern mit insgesamt 60 Wohnungen ist, die mit 270.000 Mark Hypotheken belastet sind [24]. (Einer von Töpfers Mietern ist übrigens Karl Roche samt Familie.)

Am 19. 4. 1909 wird Roche wegen seiner verbandsöffentlich geäußerten Kritik am Hauptvorstand (darunter Unterschlagungen von Mitgliedsbeiträgen durch den Hauptkassierer) schließlich fristlos gefeuert [25]; der Hauptvorstandskollege und Redakteur des Verbandsorgans Albert Töpfer kündigt ihm zum 1. Mai 1909 die Wohnung26. Roche zieht mit seiner Familie in das Hamburger Umland, ins ländliche Osdorf27 im Kreis Pinneberg in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein.

Da die Hamburger SPD Roche die Gelegenheit verweigert, im Parteiorgan Hamburger Echo zum Rausschmiß Stellung nehmen zu können, verläßt er nach 22 Jahren die Partei [28] und tritt zur lokalistischen »Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften« [29] über. Im Verlag der FVdG erscheint noch im selben Jahr der Bericht über seine ‚Abenteuer‘ beim Hauptvorstand des »Zentralverband der Bauhülfsarbeiter Deutschlands« unter dem Titel »Aus dem roten Sumpf«. [30]

Diese Veröffentlichung schlägt in die heile Welt der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung wie eine Bombe ein – und entfesselt entsprechende Reaktionen. Töpfer bezeichnet Roche im Bau-Hilfsarbeiter als jemanden, der »krankhafter Natur« und ein »Demagoge im schlimmsten Sinne des Wortes« sei [31]. Das Hamburger Echo wirft Roche am 15.8.1909 vor, der »kapitalistischen Presse« ein gefundenes Fressen vorgesetzt zu haben, weil er dem Rat, seine Vorwürfe auf den Instanzenweg der Arbeiterbewegung zu geben, nicht folgte, um seinem »gepreßtem Herzen« Luft zu machen: »Daß Roche diesem Rat nicht folgte, sondern sich als Richter in seiner eigenen Angelegenheit aufspielt und obendrein die schlimmsten Gegner der Arbeiterbewegung als Publikum herbeirief, beweist am besten, daß es ihm nicht auf Beseitigung wirklicher oder vermeintlicher Uebelstände, sondern eben nur auf Befriedigung seines persönlichen Rachedurstes ankam.« [32]

Ende August 1909 veröffentlicht schließlich der Vorstand des Bauhilfsarbeiter-Verbandes eine Erklärung, daß »sich R. als individueller Anarchist entpuppt« habe und seine Maßregelung von der Mehrzahl der Mitglieder gebilligt werde, weil er »wenig vorteilhafte Seiten« habe und »wiederholt bewiesen [hat], daß er völlig unwürdig war, eine Stelle zu bekleiden, nach der er sich jahrelang gedrängt hat«. Das zeige sich auch daran, wie »skrupellos R. bei dem Zusammenschmieren seiner Schmähschrift zu Werke gegangen ist.« [33]

Roche erwidert in der Einigkeit (die sozialdemokratische und Gewerkschafts-Presse ist ihm verschlossenen): »Jetzt habe ich Euch in die weite Arena der Öffentlichkeit gezerrt und jetzt müßt Ihr tanzen. Also noch einmal: Heraus mit dem Flederwisch! Euch bleibt nur zweierlei übrig: Entweder Ihr bringt mich vor den Strafrichter wegen Beleidigung usw. oder Ihr stellt den Mitgliedern Eure Mandate zur Verfügung. Ein Drum und Rum gibt es nun nicht mehr. Und darum noch einmal: Heraus mit Eurem Flederwisch! Meine Patronen sind noch nicht alle!« [34]

Nun – es gibt keine Rücktritte, sondern einen Prozeß. Die Verbandsvorständler Gustav Behrendt, Sjurt Wrede und Albert Töpfer verklagen Roche als Verfasser des »Sumpf« und seinen Verleger Fritz Kater. Da einige Zeugen Roches abgesprungen sind, werden am 7. Mai 1910 Roche zu 200 Mark oder 20 Tagen Gefängnis und Kater zu 50 Mark oder 5 Tagen Gefängnis vom Hamburger Schöffengericht verurteilt; die Berufungsverhandlung vom 10. September 1910 bestätigt das Urteil [35]. Allerdings muß sich der Arbeiterführer und »Hausagrarier« Albert Töpfer von dem Gericht ins Stammbuch schreiben lassen: »Wohl ist aber dem Angeklagten [Karl Roche] darin zu folgen, daß ein solches ohne Mittel erworbenes Hausbesitzertum sich mit den Grundsätzen der Sozialdemokratie nicht verträgt. Es ist ein Mangel an Überzeugungstreue, wenn ein Mann, der sich zur Bekämpfung des Kapitalismus anstellen und bezahlen läßt und dabei selbst sich durch die Inanspruchnahme dieses Kapitalismus zu bereichern sucht.« [36]

Ein Kuriosum noch am Rande: Die sozialdemokratische Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung behauptete, daß Roche vom »Reichsverband gegen die Sozialdemokratie« [37] für den »Sumpf« bezahlt worden wäre – was der Zeitung eine erfolgreiche Klage des »Reichsverbandes« wegen Beleidigung einbrachte. Der sozialdemokratische Lübecker Volksbote brachte es fertig, daraus zu machen: »Sogar der Reichsverband schüttelt ihn ab, nämlich den ehemaligen Hilfsarbeiter im Zentralverband der Bauarbeiter, Karl Roche.« [38]

Roche, der sich als Hausierer [39] und Fischhändler [40] durchschlagen muß, wird neben Paul Schreyer und Ernst Schneider zu einem der wichtigsten Protagonisten des Syndikalismus in Hamburg. Außerdem ist er im Verein föderierter Anarchisten Hamburg, die zur Anarchistischen Föderation für Hamburg und Umgebung gehört, tätig. Seit 1912 arbeitet er an der von der Anarchistischen Föderation Hamburg-Altona herausgegebenen Monatszeitung Kampf [41].

Norddeutsches Zentrum der Lokalisten war vor 1914 Hamburg. Ihre Basis war vor allem im Bereich der Transport-, Hafen und Werftarbeiter, außerdem die Berufe des Bauhandwerks und Dienstleistungssektors, die sich zur »Freien Vereinigung aller Berufe« (seit 1913 »Syndikalistische Vereinigung aller Berufe«) zusammengeschlossen hatten. Sie bildeten mit einigen Fachverbänden und der »Föderation der Metallarbeiter« ein Gewerkschaftskartell. Dem Kartell, das eine Vorläuferorganisation der »Arbeiterbörsen« der FAUD war [42], schloß sich der 1913 entstandene »Syndikalistische Industrie-Verband« an, der von Hafenarbeitern und Seeleuten gegründet worden war. [43] Hier wurde erstmals das Konzept der »Einheitsorganisation« zur Diskussion gestellt [44], (das dann in größerem Maßstab ab 1919 die Arbeiter-Unionen umsetzten) und in Hamburg durch die von Karl Roche geleitete Syndikalistische Vereinigung aller Berufe schon entgegen den Statuten der FVdG praktiziert wurde [45]. »Die im Vergleich zur gebräuchlichen Praxis der FVdG in Bremen und Hamburg betriebene Aufgabe des Berufsverbandsprinzips zugunsten eines vereinheitlichten Aufbauschemas diktierte dabei mindestens ebenso der Zwang zu Konzentration wie der Wille zur Beseitigung einer verankerten Berufsideologie.« [46]. Das waren also ganz pragmatische Gründe – nämlich die Wahrung der Handlungsfähigkeit als minoritäre Gewerkschaft, die es sich nicht leisten konnte, berufsständische Ressentiments über die Gebühr zu berücksichtigen. Der 1. Weltkrieg unterbrach diese Diskussion, wie so manches andere.

Er wird Vorsitzender der »Syndikalistischen Vereinigung aller Berufe« und Kartelldelegierter und Schriftführer des im Juni 1913 gegründeten »Syndikalistischen Industrieverbandes«. Neben einer umfangreichen Tätigkeit als Referent veröffentlicht Roche in den beiden Organen der Lokalisten, Die Einigkeit und Der Pionier. Außerdem ist er Verfasser der unter dem Pseudonym Diogenes erschienenen Schrift »Die Ohnmacht der Sozialdemokratie im Deutschen Reichstag« [47].

Zusammen mit Fritz Kater und Karl Windhoff wählt die FVdG Roche zum Delegierten für den ersten internationalen Syndikalistenkongreß, der vom 27. September bis zum 2. Oktober 1913 in London tagt [48]. Die Reise der drei Delegierten wird von der preußischen Polizei fürsorglich observiert [49]. Auf dem 11. Kongreß der FVdG im Mai 1914 ist Roche einer der Delegierten für Hamburg und Referent zum Thema »Genossenschaften und Syndikalismus« [50].

Zu Beginn des 1. Weltkrieges 1914 werden die Zeitungen der FVdG, der Pionier und die Einigkeit, wegen ihrer konsequenten antimilitaristischen und den Krieg ablehnenden Haltung verboten [51], und die Arbeit der FVdG muß sich auf ein Minimum beschränken. Als Ersatz gibt die Geschäftskommission ab dem 15. August 1914 ein wöchentlich erscheinendes organisationsinternes Mitteilungsblatt heraus. Nach dessen Verbot am 5. Juni 1915 [52] erscheint ein Rundschreiben, das schließlich am 28. 4. 1917 verboten wird [53].

Laut den Überwachungsakten der Preußischen Polizei hat sich Roche nach Ausbruch des Krieges nicht mehr politisch betätigt. Der Königliche Landrat des Kreises Pinneberg meldet am 19. 4. 1915 nach Berlin, »daß die fortgesetzten Beobachtungen des Roche nichts belastendes ergeben haben. Roche verhält sich ruhig, ist nicht auf Reisen gewesen und scheint seine schriftstellerische Tätigkeit für die anarchistische Partei eingestellt zu haben.« Und im Bericht vom 6. 11. 1915 heißt es, »dass nach den bisherigen Beobachtungen Roche kein ernsthafter Anhänger des Anarchismus zu sein scheint. Der Gemeindevorsteher [von Osdorf] hegt zwar die Vermutung, dass Roche nach Beendigung des Krieges seine schriftliche Tätigkeit für anarchistische Blätter, wie er sie vor dem Kriege ausgeübt hat, wieder aufnehmen wird.

Im übrigen lebt Roche ruhig, nüchtern und zurückgezogen; er betrieb früher einen Hausiererhandel, hat diesen aber seit einigen Jahren eingestellt, und arbeitet, angeblich krankheitshalber, nur sehr selten. Seine Ehefrau geht auf Arbeit; von ihrem Arbeitsverdienste sowie von Unterstützungen der Kinder und seitens der Gemeinde lebt er. Er ist faul und will nicht arbeiten, und auch unzuverlässig.« [54]

Am 21. 9. 1916 meldet die Hamburger Polizei ihren Preußischen Kollegen, daß Roche am 11. 9. 1916 nach Hamburg, Lindenallee 25. IV, gezogen ist. »Roche ist wieder unter Beobachtung gestellt worden.« [55] Die Pinneberger Überwacher wissen da allerdings noch nicht, daß Roche umgezogen ist: in ihrem Bericht vom 28. 9. 1916 heißt es, daß Roche »sich durchaus ruhig und unauffällig verhält, er unterhält überhaupt keinen Verkehr und lebt vollständig zurückgezogen.« [56] Kein Wunder, wenn der Überwachte 17 Tage zuvor ausgezogen ist.

Die insgesamt besser informierte Politische Polizei in Hamburg berichtet am 20. 7. 1917 nach Berlin, Roche (er wohnt mittlerweile Amandastr. 61, Haus 2) »ist seit Ende v.J. im hiesigen Friedhofsbureau als Hilfsschreiber beschäftigt. Roche ist öffentlich nicht hervorgetreten; er hat jedoch in den ersten Monaten nach seinem Zuzuge mit mehreren hiesigen Anarchisten verkehrt, insbesondere war er eng befreundet mit dem Tischler Albert Fricke [57]. Auch hat Roche wiederholt gesprächsweise in Kreisen seiner Bekannten zu erkennen gegeben, daß er noch anarchistische Gesinnungen hegt. Er ist nach wie vor ein Anhänger der anarchistischen Bewegung, hält sich aber seit einigen Monaten – anscheinend infolge seiner jetzigen Stellung – von den übrigen Anarchisten fern. Roche wird weiter beobachtet.« [58]

Im letzten Kriegsjahr, seit dem 20. Juni 1918, wird Roche, der aufgrund seines Alters (und seines fehlenden Auges) nicht zum Militär muß, auf der Vulcan-Werft als Nietenschreiber zwangsverpflichtet [59] – eine strategisch günstige Stelle in der Revolutionszeit 1918/19 …

Erstaunlicherweise berichtet die Hamburger Polizei noch am 19. Juni 1918 an das Königlich Preußische Polizei-Präsidium zu Berlin: »Der Händler Carl Roche ist seit langer Zeit krank und ohne Arbeit …« [60] – übrigens der letzte Eintrag in der Berliner Akte.

Mit dem Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches treten auch die Syndikalisten wieder an die Öffentlichkeit und erhalten einen unerwartet großen Zustrom an neuen Mitgliedern. Die Einigkeit wird in Der Syndikalist umbenannt [61]. Die erste Ausgabe erscheint am 18. Dezember 1918.

Roche ist einer der führenden Propagandisten der wiedererstandenen FVdG. Schon im Januar 1919 unternimmt er zusammen mit Fritz Kater eine erste Agitationsreise durch Norddeutschland [62]. Roche ist jetzt Geschäftsführer der »Syndikalistischen Föderation Hamburg« [63]. Neben einer umfangreichen Vortragstätigkeit vor allem im norddeutschen Raum [64] und Artikeln im Syndikalist veröffentlicht Roche vier der wichtigsten programmatischen Texte der FVdG im ersten Revolutionsjahr:
Was wollen die Syndikalisten? Programm, Ziel und Wege der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften, Berlin 1919 (Verlag »Der Syndikalist«)
Einheitslohn und Arbeitersolidarität [Vortrag, gehalten am 20. April 1919], Berlin 1919 (Verlag »Der Syndikalist«)
Zwei Sozialisierungsfragen. 1. Wer soll sozialisieren? [Vortrag, gehalten am 1. Mai 1919 in Hamburg] 2. Ist die zusammengebrochene Wirtschaft für die Sozialisierung reif? [Vortrag, gehalten im Mai 1919], Hamburg 1919 (Verlag der Syndikalistischen Föderation Hamburg)
Organisierte direkte Aktion, Berlin 1919 (Verlag »Der Syndikalist« Fritz Kater).[65]

Seit dem Sommer des Jahres publiziert er auch in der Tageszeitung der Hamburger KPD, der Kommunistischen Arbeiter-Zeitung, zu gewerkschaftlichen Themen.

Am 29. November 1919 wird Roche von der Hamburger »Vulcan-Werft AG« gefeuert. In dem Kündigungsschreiben werden ausdrücklich seine führende Rolle in der Syndikalistischen Föderation Hamburg und die Propagierung der »passiven Resistenz« als Kündigungsgrund genannt: »Seine Führung und Leistung haben uns voll befriedigt, bis R. nach der politischen Umwälzung nach und nach Führer einer Richtung wurde, die durch Wort und Schrift in Betriebsversammlungen der Werft zur passiven Resistenz aufforderte. Diese Einwirkung war derart, daß wir uns von R. trennen mußten.« [66] Ein Spitzelbericht der Politischen Polizei hatte schon im Oktober des Jahres notiert: »Der Haupthetzer auf der Vulcanwerft ist der Syndikalist Roche. Sein Einfluss auf die Arbeiterschaft ist ungeheuer und mit Recht wird behauptet, daß er die Seele des verderblichen Widerstandes gegen Vernunft und Ordnung eines großen Teils der Arbeiterschaft ist.« [67]

Im Dezember 1919, noch vor Gründung der »Freien Arbeiter-Union Deutschlands (Syndikalisten)«, verlassen Roche und Ernst Schneider die FVdG und wechseln zur »Arbeiter-Union« [68]; sie sind auch in der oppositionellen Hamburger KPD [69] aktiv. Mit ihnen geht offenbar die große Mehrheit der Syndikalisten Hamburgs. Anlaß für diesen Schritt mögen einerseits die von Rudolf Rocker in der »Prinzipienerklärung des Syndikalismus« begründete Ablehnung der Diktatur des Proletariats und des bewaffneten Aufstandes, andererseits die – in der FAUD nicht unumstrittene – Umstellung von den traditionellen Fachverbänden auf das Industrieverbandsprinzip sein, während Roche das Konzept der betrieblichen Einheitsorganisation (»Betriebsorgani­sation«) favorisiert.

Seit Anfang 1920 ist Roche einer der führenden Köpfe der unionistischen Bewegung in Hamburg, neben Fritz Wolffheim und Heinrich Laufenberg, die zu diesem Zeitpunkt die unbestrittenen Sprecher der gesamten linken Opposition in der KPD gegen die Berliner Zentrale um Paul Levi sind (bevor die beiden sich bis August 1920 mit ihrem sogenannten ‚Nationalbolschewismus‘ innerhalb der Linken mehr und mehr isolieren).

Roches erste größere Publikation für die AAU ist Anfang 1920 die Schrift Demokratie oder Proletarische Diktatur! Ein Weckruf der Allgemeinen Arbeiter-Union, Ortsgruppe Hamburg, [Hamburg] 1920. Er publiziert regelmäßig in der Tageszeitung der Hamburger KPD (seit April 1920 der KAPD), der Kommunistischen Arbeiter-Zeitung, und ist als Referent bei Veranstaltungen für Partei und Union vor allem im norddeutschen Raum aktiv. Seit März ist er Redakteur der KAZ-Rubrik »Arbeiter-Union«.

Roche tritt auf der 1. Reichskonferenz der AAU im Februar 1920 erfolgreich den Versuchen der Bremer KPD-Opposition (Karl Becker) entgegen, die Union zu einer wirtschaftlichen Hilfs­organisation der Partei zu machen [70]. Das erste, sehr föderalistische Programm der AAU, angenommen auf der 2. Reichskonferenz im Mai 1920, trägt wesentlich Roches Handschrift. Da die Bremer Opposition um Becker und Paul Frölich sich nicht an der Gründung der »Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands« beteiligt71 und zur KPD-Zentrale zurückkehrt, verlagert sich das Zentrum der Unionisten nach Hamburg [72].

Roches Kontakte zur FAUD scheinen trotzdem weiter bestanden zu haben, Er versucht in den nächsten Jahren mehrfach, wenn auch vergeblich, zumindest für Hamburg eine Kartellierung oder sogar organisatorische Vereinigung von Unionisten, Syndikalisten und Anarchisten herbeizuführen.

Als Vorsitzender der Pressekommission ist Roche Herausgeber der seit 1920 in Hamburg erscheinenden AAU-Zeitung des »Wirtschaftsbezirkes Wasserkante«, Der Unionist, und einer der Redakteure.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1920 nimmt in der AAU der Einfluß der KAPD zu. Die Richtung, die den Dualismus von Partei und Union zugunsten der Union überwinden will und die ökonomisch-politische Einheitsorganisation vertritt, gerät in die Defensive. Ihre Schwerpunkte liegen in Hamburg und Ostsachsen [73]. Auf der 3. Reichskonferenz der AAU im Dezember 1920 in Berlin (an der Roche teilnimmt) zeichnet sich ab, daß es keine Mehrheit für das Konzept der Einheitsorganisation gibt [74]. Noch im selben Monat schließen die ostsächsischen Unionisten die KAPD-Mitglieder aus, Hamburg folgt Ende Mai 1921 [75].

Roche faßt die Position der Opposition noch einmal in der Schrift Die Allgemeine Arbeiter-Union, (Hamburg [1921]; Herausgegeben von der Pressekommission der A.A.U. Groß-Hamburg) zusammen, die wahrscheinlich Anfang 1921 erscheint.

Nach dem Mitteldeutschen Aufstand im März 1921 (der sogenannten »Märzaktion«) [76] wird Roche als Vorsitzender der Pressekommission des Unionist im April 1921 zu einem Jahr Festungshaft verurteilt, der Drucker des Unionist zu 15 Monaten [77]. Roche kommt allerdings spätestens im November des Jahres wieder frei [78].

Aber kann er deshalb nicht an der 4. Reichskonferenz der AAU (wiederum in Berlin) teilnehmen, auf der das von der KAPD favorisierte dualistische Modell Union (als ‚Massenorganisation‘) und Partei (als theoretisch führender Kader) die Mehrheit gewinnt. Außerdem wird der föderalistische Aufbau der Union zugunsten eines zentralistischen Modells aufgegeben [79]. Die Opposition innerhalb der AAU gründet darauf im Oktober 1921 die »Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands (Einheitsorganisation)«. [80]

Das Jahr 1923 stürzt die Weimarer Republik in einen existenzielle Krise. Die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen und der von der Reichsregierung unter dem Kanzler Wilhelm Cuno propagierte passive Widerstand dagegen, der mittels der Notenpresse finanziert werden soll und aus der schon galoppierenden Inflation eine Hyperinflation macht, ruiniert die Reichsfinanzen endgültig. Nach dem Sturz Cunos im Sommer übernimmt ein Koalitionskabinett unter Gustav Stresemann (DVP), bestehend aus SPD, Zentrum, DDP und DVP, die Regierung.

Die Bildung von SPD-KPD-Koalitionsregierungen in Sachsen und Thüringen im Herbst geht parallel mit der Weigerung Bayerns, die antirepublikanischen Umtriebe von rechts zu unterbinden. Zwar hat die KPD unter dem Druck der KomIntern mit dem bewaffneten Aufstand geliebäugelt, aber keinen Rückhalt in den vielbeschworenen »Massen« gefunden. Die Reichsregierung (mit dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) abgesprochen) löst das Problem wie üblich – sie verhängt die Reichsexekution über Sachsen und Thüringen, um die gegen rechts unzuverlässigen Reichswehrverbände nicht gegen Bayern schicken zu müssen.

Die KPD-Führung um Brandler und Thalheimer nimmt – in realistischer Einschätzung der Kräfteverhältnisse – relativ kampflos die Entmachtung der sächsischen und thüringischen Koalitionsregierungen durch die Reichsexekutive hin. Wahrscheinlich durch einen Kommunikationsfehler erreicht diese Entscheidung die KPD in Hamburg nicht [81]. Der gescheiterte Hamburger Aufstand der KPD vom 22. – 24. Oktober 1923 führt am 23. November zum reichsweiten Verbot nicht nur der KPD, sondern auch aller linksradikalen Organisationen einschließlich der FAUD, das bis zum 1. März 1924 andauert.[82]

In dieser Zeit gelingt es der Reichsregierung mit der Einführung der Rentenmark [83] (15. November), die bis in schwindelnde Höhen angestiegene Inflation in den Griff zu bekommen und der Weimarer Republik eine kurze ökonomische und politische Stabilitätsphase zu bescheren, die mit dem New Yorker Börsenkrach 1929 endet.

Die AAUE in Hamburg bricht während der Illegalität faktisch zusammen. Dies dürfte einer der Gründe sein, warum Roche zur Föderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands wechselt, um spätestens im Juli 1924 (wieder) in der FAUD aktiv zu werden.[84] Im FAUD-Verlag erscheint im selben Jahr seine Broschüre Der Proletarische Ideenmensch.[85]

Roche gehört zu den Initiatoren vom Block antiautoritärer Revolutionäre in Norddeutschland, der seit 1924 versucht, die radikale nichtbolschewistische Linke in Norddeutschland zumindest zu einer Aktionseinheit zusammenzufassen. In diesem Sinne ist auch die Konferenz des Bezirkes Nord-West der FAUD(S) vom 27. – 28. Dezember 1924 in Bremen gestaltet. Roche ist Referent der FAUD zum zentralen Thema: »Die Aufgaben der anti-autoritären Organisationen im Bezirk Nord-West«. An dieser Konferenz nehmen auch Vertreter der SAJD, AAUE, der IWW und der Hamburger Anarchisten teil [86].

1925 erscheint von Roche die Broschüre Arbeiterjugend und natürliche Ordnung [87]. Er schreibt regelmäßig für das FAUD-Organ Der Syndikalist, außerdem für die seit 1927 erscheinende theoretische Zeitschrift Die Internationale und andere syndikalistische Publikationen.

In seiner letzten größeren Veröffentlichung, dem 1929 als Artikelserie in Der Syndikalist erschienenen »Handbuch des Syndikalismus« [88] faßt er nochmal sein politisches Credo zusammen.

Seine letzten Lebensjahre ist Roche ein schwer kranker Mann. Er stirbt am 1. Januar 1931, wenige Monate nach seinem 68. Geburtstag. »Sein letzter Gruß, den er uns unmittelbar vor seinem Tode schrieb, enthielt ein Versprechen weiterer schriftstellerischer Mitarbeit, der seine letzte Sorge galt.«, heißt es in dem Nachruf, der im Syndikalist [89] erscheint. Und in der von Erich Mühsam herausgegebenen Zeitschrift Fanal schreibt Rudolf Rocker: »Seine rastlose Arbeit hat ihm nie Reichtum eingebracht; er ist als bitterarmer Proletarier gestorben, wie er immer gelebt hat.« [90]

Anmerkungen

1) Dies betrifft vor allem die – immer mal wieder reproduzierten – biographischen Angaben bei Hans Manfred Bock, demzufolge Roche »um die Jahrhundertwende als junger Seemann zur ‚Freien Vereinigung‘ gekommen war« , und die auf einer Mitteilung von Augustin Souchys an Bock basieren (Bock 1969 und Bock 1993, S. 104; ebenso der Artikel Karl Roche auf der englischen Wikipedia). Souchy hat ganz offensichtlich Roche mit Ernst Schneider (‚Icarus‘) verwechselt; zu Ernst Schneider siehe Schneider [1943]; Schneider [2003]; Mohrhof 2008, S. 30.
2) Die Schreibweise – Carl oder Karl – variiert, vor allem in den Akten der diversen mit der Überwachung ’subversiver Elemente‘ betrauten Dienststellen. Roche selbst schreibt seit den 1890er Jahren in seinen Publikationen seinen Vornamen mit ‚K‘.
3) Roche 1909, S. 31; LaB, Apr. Br. Rep. 030 Nr. 16490, Bl. 31; genaueres zu den Kindern konnten wir bisher nicht ermitteln.
4) LaB A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 16490, Bl. 3
5) Roche 1909, S. 12 – er verließ die Schule wahrscheinlich mit 14 Jahren, möglicherweise als Waise oder Halbwaise; so läßt sich zumindest eine Bemerkung in Roche 1919c, S. 7, deuten: »Der junge Arbeiter, der mit 14 Jahren sich selbst überlassen und auf den Arbeitsmarkt geworfen wird … «
6) darauf weisen die Verurteilungen zwischen 1881 und 1886 sowie Bemerkungen in Roche 1919c, S. 7 und Roche 1919d, S. 6 hin (siehe auch Roche 2009, S. 46 und S. 55 f.).
7) StAH PP 331-3 S 7762; LaB A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 16490, Bl. 3
8) Roche 1909, S. 7
9) LaB A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 16490, Bl. 3 – ob der Verlust seines Auges krankheitsbedingt oder aufgrund einer Verletzung geschah, war bisher nicht zu ermitteln.
10) Roche 1909, S. 7
11) Gegründet 1890, seit 1894: »Verband der Fabrik-, Land-, Hülfsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands« – siehe hierzu Festschrift 1913 und Schuster 2000.
12) StAH PP 331-3 S 7762
13) Gegründet 1891 als »Verband der Bauhilfsarbeiter und verwandter Berufsgenossen« seit 1905: »Verband der baugewerblichen Hülfsarbeiter Deutschlands«; seit 1908: »Zentralverband der Bauhülfsarbeiter Deutschlands«; 1910 mit dem »Zentralverband der Maurer Deutschlands« zum »Deutschen Bauarbeiterverband« zusammengeschlossen – siehe Schuster 2000; s.a. Rütters – Zimmermann 2005, S. 44; 116 ff.
14) siehe z.B. die auf der Internet-Seite des Archiv Karl Roche aufgeführten Versammlungshinweise und Artikel aus dem Verbandsorgan Der Arbeiter.
15) StAH PP 331-3 S 7762
16) siehe StAH PP 331-3 S 7762: »Roche war bereits vom 1/10. 01 bis 1/2. 02 hier [Luruperweg 58] gemeldet und hat sich am 11/2. 02 auf Wanderschaft und am 4./4. 02 nach Barmen abgemeldet.«
17) Albert Töpfer, Mitglied des Hauptvorstandes und Redakteur des Arbeiter, schrieb Roche am 21. 3. 1905: »Auf dem Verbandstag (in Leipzig, K.R.) wird man um die Anstellung von zwei oder drei Gauleitern nicht umhin können. Ebenso bedarf es noch einer tüchtigen Kraft im Hauptvorstand und wenn man das Blatt achtseitig schafft, (wozu nicht geringe Luft vorhanden ist), auch einen tüchtigen Redakteur. Da tritt wieder die Frage auf: Wen? Ueberfluß an wirklich tüchtigen Leuten haben wir ganz gewiß nicht. Ich darf mir wohl die Frage erlauben, wie Du Dich zu irgend einem der angedeuteten Posten stellen würdest?« (mitgeteilt bei KR, Ich bin des trockenen Tons nun satt; in: Einigkeit, Nr. 36, 4. 9. 1909)
18) Roche wohnte zu dieser Zeit in der Wiemelhauserstr. 38a (heute: Universitätsstraße); im Vorderhaus (Wiemelhauserstr. 38) wohnte Paul Runge, Parteisekretär des Sozialdemokratischen Volksvereins für den Wahlkreis Bochum-Gelsenkirchen-Hattingen-Witten (Adreßbuch der Stadt Bochum 1907)
19) Roche 1909, S. 7; StAH PP 331-3 S 7762
20) StAH PP 331-3 S 7762 [Schreiben der Polizeiverwaltung des Oberbürgermeisters von Bochum an die Polizeibehörde Hamburg, 20. 5. 1907]
21) Lebenshaltung und Arbeitsverhältnisse der Deutschen Bauhülfsarbeiter. Herausgegeben vom Hauptvorstand des Zentralverbandes der baugewerblichen Hülfsarbeiter Deutschlands, Hamburg 1908 – 76 S. (Verlag: Verband der Baugewerblichen Hülfsarbeiter Deutschlands Gustav Behrendt);
Die Tarifverträge der baugewerblichen Hülfsarbeiter bis zum Jahre 1907. Verband der Baugewerblichen Hilfsarbeiter Deutschlands, Hamburg 1908. – 483 S. (Verlag: Verband der Baugewerblichen Hülfsarbeiter Deutschlands Gustav Behrendt);
Zur Entwicklungsgeschichte des Verbandes der baugewerblichen Hilfsarbeiter Deutschlands. Mit einem Anhang über die bis Ende 1907 vom Verband abgeschlossenen Tarifverträge. Herausgegeben vom Zentralvorstand, Hamburg, 1909. – 76 S.;
für die Autorenschaft und die Umstände der Entstehung siehe Roche 1909, S. 11 – 14
22) Roche 1909, S. 11
23) einige biographische Angaben bei Schmit 1932, S. 1695 – allerdings eine völlig unkritische Eloge des amtierenden Grundstein-Redakteurs auf Töpfer.
24) Roche 1909, S. 10; Urteil des Schöffengerichts Hamburg vom 7. Mai 1910 gegen Fritz Kater und Karl Roche, in Auszügen mitgeteilt bei Karl Roche, Eine Nachlese; in: Einigkeit, Nr. 42, 15. 10. 1910
25) Roche 1909, S. 14ff
26) Roche 1909, S. 29f.
27) Osdorf wurde 1927 nach Altona eingemeindet, das wiederum 1937 mit dem »Gesetz über Groß-Hamburg und andere Gebietsbereinigungen«, kurz »Groß-Hamburg-Gesetz«, zu Hamburg geschlagen wurde; siehe wikipedia Hamburg-Osdorf; wikipedia Groß-Hamburg-Gesetz.
28) Roche 1909, S. 3
29) Die FVdG ging aus der lokalistischen Opposition innerhalb der sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften hervor. Ursprünglich aus revolutionären Sozialdemokraten bestehend, die den reformistischen Kurs der Zentralverbände der Generalkommission ablehnten, wurde den Lokalisten 1907 von der Partei das Ultimatum gestellt, innerhalb eines Jahres sich den Zentralverbänden anzuschließen oder aus der SPD rauszufliegen. Die eine Hälfte (etwa 8000 Mitglieder) unterwarf sich, während die andere Hälfte mit den Sozialdemokraten brach und sich rasch dem revolutionären Syndikalismus annäherte. Nach dem 1. Weltkrieg entstand aus ihr die »Freie Arbeiter-Union Deutschlands«. (siehe Aigte 1930/1931; Bock 1969 und Bock 1993; Fricke 1988, S. 1010 – 1021; SyFo [2007]; Kater 1912; Klan/Nelles 1990; Kulemann 1908; Rübner 1994; Vogel 1977; einen schnellen Überblick und reichen Materialfundus bietet zudem die Internet-Seite des Instituts für Syndikalismusforschung).
30) Roche 1909; die Broschüre wurde erstmals in der Einigkeit, Nr. 31, 31. 7. 1909, angekündigt, ist also spätestens Anfang August erschienen. – Im Revolutionsjahr 1919, nach zehn Jahren, bringt Roche den »Sumpf« noch einmal heraus, denn, wie er im Vorwort zur Neuausgabe schreibt: »Die Zentralverbandsführer in Hamburg wie auch die Rechtssozialisten verbreiten Gerüchte über mich, hinterhältig und verlogen. Der „Rote Sumpf“ dient ihrem verleumderischen Beginnen zur Grundlage. Daher habe ich mich entschlossen, diese Schrift neu herauszugeben. … Das Schriftchen hat außer seinem historischen Interesse auch für den Tageskampf der Gegenwart Wert.
Auch eine gewisse Genugtuung beschleicht mich: Was ich vor zehn Jahren über die Arbeiterbewegung und deren Führer auszusprechen wagte, wofür ich geächtet wurde — heute sagen dasselbe Millionen.« (Roche 1919a, S. 1 f)
31) Der Bau-Hilfsarbeiter, Nr. 32, 7. 8. 1909
32) Hamburger Echo, Nr. 189, 15. 8. 1909
33) Der Bau-Hilfsarbeiter, Nr. 35, 28. 8. 1909
34) Karl Roche, Heraus mit dem Flederwisch!; in: Einigkeit, Nr. 33, 14. 8. 1909
35) Karl Roche, Eine Nachlese; in: Einigkeit, Nr. 42, 15. 10. 1910; Hamburger Echo, Nr. 106, 8. 5. 1910; Hamburger Echo, Nr. 213, 11. 9. 1910
36) Urteil des Schöffengerichts Hamburg vom 7. Mai 1910 gegen Fritz Kater und Karl Roche, in Auszügen mitgeteilt bei Karl Roche, Eine Nachlese; in: Einigkeit, Nr. 42, 15. 10. 1910
37) zum »Reichsverband« siehe Fricke 1970
38) Lübecker Volksbote, Nr. 177, 1. 8. 1910
39) LaB, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 16490, Bl. 31
40) Der Bau-Hilfsarbeiter, Nr. 2, 8. 1. 1910
41) Kampf. (Unabhängiges) Organ für Anarchismus und Syndikalismus; erschien von 1912 bis 1914 in Hamburg; mit Sicherheit stammt der mit »K. R.« gezeichnete Artikel »Evolution rückwärts« (Jg. 1, Nr. 2, August 1912, Beiblatt, [S. 7 – 8]) von Roche; der mit »R.« gezeichnete Artikel »Aus der journalistischen Düngergrube am Speersort« (ebd., [S. 8] ist nicht sicher Roche zuzuordnen, sein Sprachstil macht es aber wahrscheinlich). – Zum Kampf siehe KAMPF! – Vorwort zum Reprint 1986 (Hamburg); zum Anarchismus in Hamburg vor dem 1. Weltkrieg siehe Heinzerling 1988.
42) zum Konzept der Arbeiterbörsen siehe Barwich [1923]
43) Rübner 1996, S. 75; zu den Aktivitäten der syndikalistischen Seeleute kurz vor dem 1. Weltkrieg siehe Mohrhof 2008
44) offiziell vom Bremer Delegierten Franz Martin auf dem 11. Kongreß der FVdG im Mai 1914 vorgeschlagen; siehe Rübner 1996, S. 76, Anm. 35
45) Rübner 1996, S. 76, Anm. 35
46) Rübner 1996, S. 77
47) Roche 1912 – wir halten die von Angela Vogel vermutete Auflösung des Pseudonyms (siehe Vogel 1977, S. 252, Anm. 26) nach Durchsicht der unter dem Namen Diogenes publizierten Artikel in der Einigkeit und im Pionier für überzeugend. Roche benutzte dieses Pseudonym später auch noch im Syndikalist.
48) Thorpe 1978, S. 57; Thorpe 1989, S. 69 ff – Roche berichtete in der Einigkeit (Nr. 41 und 42, 11. und 18. Oktober 1913) und im Pionier (Nr. 42, 15 Oktober 1913) über den Kongreß. – Zusammenfassend zum Kongreß: Thorpe 1978, Thorpe 1989.
49) LaB, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 16490, Bl. 19 & 20
50) siehe die Dokumentation Den Kapitalismus muß man nicht totglauben, den Kapitalismus muß man totkämpfen. Karl Roche und die Genossenschaftsfrage 1911 – 1914; in: barrikade, Nr. 7, April 2012, S. 26 – 29.
51) Bock 1969 und Bock 1993; Rübner 1994; Aigte 1930/1931
52) Das Weitererscheinen des »Mitteilungsblatt« verboten!; in: Rundschreiben, Nr. 1, 15. 6. 1915
53) Rundschreiben, Nr. 47, 15. Mai 1917 – zusammenfassend dazu Thorpe 2000.
54) LaB, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 16490, Bl. 29; Bl. 31
55) LaB, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 16490, Bl. 29; Bl. 32
56) LaB, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 16490, Bl. 29; Bl. 33
57) Fricke war vor dem Krieg Verleger und verantwortlicher Redakteur des Kampf bis Nr. 10 (siehe KAMPF_Anhang).
58) Hat Roche, wie wir in der ersten Fassung dieser biographischen Skizze noch ziemlich überzeugt behauptet haben,(siehe AKR 2009, S. 5 f) zum Untergrundnetz der FVdG gehört, das den Zusammenhalt der Syndikalisten für die Zeit nach dem Kriege erfolgreich sicherte? Den oben zitierten Überwachungsakten zufolge hat er sich bis zu seinem Umzug nach Hamburg von der Bewegung ferngehalten. Das kann stimmen. Roche hatte sich während der Zeit beim Hauptvorstand des »Verbandes« Rheumatismus in den Beinen zugezogen und war demzufolge in seiner Mobilität eingeschränkt (siehe Roche 1909, S. 8f). Eine der wenigen Versammlungen der Hamburger FVdG während des Krieges fand am 8. Juli 1917 statt, an der 56 Personen, überwiegend Werftarbeiter, teilnahmen; Fritz Kater, der ursprünglich dort sprechen sollte, konnte nicht kommen; siehe Ullrich 1976 (Band 2), S. 153, Anm. 34.
Ob Roche Kontakt zur linken Opposition in der Hamburger SPD um Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim hatte, die später an der Gründung der KPD wie der KAPD führend beteiligt waren, konnten wir bisher nicht ermitteln.
59) Zeugnis der Vulcan Werke, vollständig zitiert in Isegrim (d. i. Karl Roche), An der Unterweser; in: Syndikalist, Jg. 6, Nr. 30, 26. Juli 1924, Beilage.
60) LaB, A Pr. Br. Rep. 030 Nr. 16490, Bl. 37
61) Die Umbenennung hatte der 11. Kongreß der FVdG im Mai 1914 beschlossen, seine Umsetzung wurde allerdings durch den Kriegsausbruch und das Verbot verhindert; siehe Rübner 1996, S. 82, Anm. 58
62) Syndikalist, 1. Jg. 1918/19, Nr. 7
63) Syndikalist, 1. Jg., 1918/19, Nr. 14
64) siehe etwa Kuckuk 1996, S. 22
65) alle vier Broschüren sind nachgedruckt in Roche 2009
66) vollständig zitiert in Isegrim (d. i. Karl Roche), An der Unterweser; in: Syndikalist, Jg. 6, Nr. 30, 26. Juli 1924, Beilage.
67) Politische Polizei Hamburg – Wochenbericht Nr. 9 vom 13. 10. 1919; zitiert auf der Webseite des AKR: https://archivkarlroche.wordpress.com/2009/05/03/der-hetzer-roche/
68) Die unionistische Bewegung entstand spontan in der ersten revolutionären Nachkriegsphase. Sie orientierte sich theoretisch mehrheitlich am revolutionären Marxismus, organisatorische Grundlage war die berufsübergreifende Betriebsorganisation (im Bergbau die Schachtorganisation); aufgebaut war sie in der Regel nach dem Räteprinzip. Ein kleinerer Teil der Unionisten schloß sich im Dezember 1919 mit der FVdG zur FAUD zusammen (Rocker 1919), die Mehrheit beteiligte sich am Gründungsprozeß der AAUD, während eine weitere Strömung (»Union der Hand- und Kopfarbeiter«) sich zeitweilig der KPD annäherte (die darüber nicht immer sehr glücklich war). Aus dieser Strömung entstanden nach 1925 die »Revolutionären Industrie-Verbände«. (Bock 1969 und Bock 1993; Bötcher 1922; Hermberg 1922; Langels 1989; siehe auch Bärhausen u.a. 1986, S. 8)
69) Die Hamburger KPD gehörte fast vollständig zur antiparlamentarisch-antigewerkschaftlichen Opposition gegen die Berliner Zentrale; siehe Protokoll KPD 3. Parteitag.
70) siehe Bock 1969 und Bock 1993, S. 188 ff; Böttcher, S. 75 ff.
71) Der Gründungsparteitag der KAPD fand am 4. und 5. April 1920 in Berlin statt; siehe Bock 1977.
72) siehe Bock 1969 und Bock 1993, S. 188ff; Siegfried 2004, S. 128f.
73) Bekannte Vertreter sind, neben Roche (Hamburg), der Herausgeber der Berliner Aktion, Franz Pfempfert, und Otto Rühle (Dresden).
74) siehe Die 3. Reichskonferenz der AAUD, 12. – 14. Juni 1920 in Leipzig. Eingeleitet und bearbeitet von Jonnie Schlichting; in: barrikade Nr. 7, April 2012, S. 34 – 39.
75) siehe Bock 1969 und Bock 1993, S. 214f; zu Hamburg siehe auch: Partei oder Gewerkschaft; in: Alarm, Jg. 3/1921, Nr. 19
76) Angress 1972, S. 139ff; Bock 1969 und Bock 1993, S. 295ff.
77) Zeitdokument; in: Alarm, Jg. 3/1921, Nr. 17
78) so spricht Roche am 27. 11. 1921 auf einer Veranstaltung der FAUD zur Ermordung des spanischen Ministerpräsidenten Dato durch zwei CNT-Genossen über die Leiden der Festungsgefangenen in Gefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel; siehe: ZP-Stelle Hamburg – Bericht # 105 – 29.11.1921 (Staatsarchiv Bremen 4,65).
79) siehe Siegfried 2004, S. 129
80) siehe Bock 1969 und Bock 1993, S. 214f
81) siehe Voß 1981; Wollenberg 1973
82) siehe Voß u.a. 1981
83) Eine Rentenmark = 1 Billion Papiermark; 1 US$ = 4,20 Rentenmark
84) Der erste von Roche signierte Artikel im Syndikalist erschien schon in der Ausgabe 43 – 44/ 4. November 1923 – gleich nach den KPD-Putsch vom 23. Oktober in Hamburg: »Die Opfer einer politischen Narrheit«.
85) Roche 1924
86) Die Konferenz des Bezirks Nordwest der FAUD und der Block antiautoritärer Revolutionäre.Bremen am 27. und 28. Dezember 1924 – Eine Dokumentation. Eingeleitet und bearbeitet von Jonnie Schlichting; in: barrikade Nr. 4, Dezember 2010, S. 15 – 22.
87) Roche 1925
88) Roche 1929
89) Karl Roche [Nachruf]; in: Syndikalist, Jg. 11, Nr. 2, 10. 1. 1931 [http://www.syndikalismusforschung.info/rochetod.htm]
90) R [Rudolf Rocker?], Karl Roche; in: Fanal, Jg. 5 (1930/1931), Nr. 5, Februar 1931, S. 119 [https://archivkarlroche.wordpress.com/archiv-karl-roche/nachruf-aus-fanal/]

Quellen

1. Archive
AKR: Archiv Karl Roche Hamburg
LaB: Landesarchiv Berlin
StAH: Staatsarchiv Hamburg
SyFo: Institut für Syndikalismusforschung Bremen

2. Periodika
AGWA: Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit (Germinal)
Alarm: Alarm. Organ für freien Sozialismus [Herausgegeben von Carl Langer], Hamburg
barrikade: barrikade Streitschrift für Anarchosyndikalismus, Unionismus und revolutionären Syndikalismus, Hamburg (AKR)
Einigkeit: Die Einigkeit. Organ der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften, Berlin
Internationale (FAUD): Die Internationale. Zeitschrift für revolutionäre Arbeiterbewegung, Gesellschaftskritik und sozialistischen Neuaufbau. Hrgg. von der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (AS), Berlin
Kampf: Kampf. (Unabhängiges) Organ für Anarchismus und Syndikalismus, Hamburg
KAZ (Hamburg): Kommunistische Arbeiter-Zeitung, [Organ der KPD, Ortsgruppe Hamburg; seit 1920: Organ der Kommunistischen Arbeiterpartei und der Allgemeinen Arbeiterunion Deutschlands, hrgg. von der Ortsgruppe Hamburg], Hamburg
Mitteilungsblatt: Mitteilungsblatt der Geschäftskommission der Freien Vereinigung Deutscher Gewerkschaften, Berlin
Pionier: Der Pionier. Unabhängiges sozialrevolutionäres Organ, Berlin
Rundschreiben: Rundschreiben an die Vorstände und Mitglieder aller der Freien Vereinigung Deutscher Gewerkschaften angeschlossenen Vereine, Berlin
Syndikalist: Der Syndikalist. Organ der Sozialrevolutionären Gewerkschaften Deutschlands; seit 1920: Organ der Freien Arbeiter-Union Deutschlands, Berlin
Unionist: Der Unionist. Organ der Allgemeinen Arbeiter-Union, Wirtschaftsbezirk Wasserkante; seit 1921: Organ der Allgemeinen Arbeiter-Union (Einheits-Organisation), Wirtschaftsbezirk Wasserkante, Hamburg

3. Literatur
Aigte 1930: Gerhard Aigte, Über die Entwicklung der revolutionären syndikalistischen Arbeiterbewegung Frankreichs und Deutschlands in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Freie wissenschaftliche Arbeit; in: Internationale (FAUD), Jg. IV, Nr. 2 (Dezember 1930) bis Nr. 10 (August 1931) – teilweiser Neudruck unter dem Titel Gerhard Aigte, Die Entwicklung der revolutionären syndikalistischen Arbeiterbewegung Deutschlands in der Kriegs- und Nachkriegszeit (1918-1929), Bremen 2005 (FAU Bremen)
Angress 1973: Werner T. Angress, Stillborn Revolution. Die Kampfzeit der KPD 1921 – 1923 [1963], Wiener Neustadt (Räteverlag)
AKR 2009: Archiv Karl Roche, Wer war Karl Roche? Eine biographische Skizze; in: Roche 2009
Bärhausen u.a. 1986: Anne Bärhausen/ Ruth Meyer/ Rüdiger Zimmermann, Baugewerkschaften in der Bibliothek der Sozialen Demokratie/ Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung. 2. erg. Aufl., Bonn
Barwich [1923]: Studienkommission der Berliner Arbeiterbörsen/Franz Barwich (1923), »Das ist Syndikalismus«. Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Mit Texten von Franz Gampe, Fritz Kater, Augustin Souchy u.a. Mit einer Einleitung von Helge Döhring, Frankfurt/M 2005 (Edition AV) – erweiterter und vermehrter Neudruck von: Franz Barwich, Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Mit einem Vorwort von A. Souchy, Berlin [1923] (Der Syndikalist)
Barwich u.a. 1973: Franz Barwich/ Erich Gerlach/ Arthur Lehning/ Rudolf Rocker/ Helmut Rüdiger, Arbeiterselbstverwaltung, Räte, Syndikalismus, Berlin/W (Karin Kramer)
Bock 1969: Hans Manfred Bock, Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 bis 1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union (Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands, Meisenheim am Glan (Anton Hain)
Bock 1977: Hans Manfred Bock (Hrg.), Bericht über den Gründungs-Parteitag der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands am 4. und 5. April 1920 in Berlin; in: Arbeiterbewegung – Theorie und Geschichte. Jahrbuch, Band 5/1977: Kritik des Leninismus , Frankfurt/M (Fischer)
Bock 1993: Hans Manfred Bock, Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 bis 1923. Ein Beitrag zur Sozial- und Ideengeschichte der frühen Weimarer Republik. Aktualisierte und mit einem Nachwort versehene Neuausgabe [von Bock 1969 – die Seitenzählung ist bei beiden Ausgaben identisch], Darmstadt (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft)
Bötcher 1922: Hans Bötcher, Zur revolutionären Gewerkschaftsbewegung in Amerika, Deutschland und England. Eine vergleichende Betrachtung, Jena (Gustav Fischer)
Festschrift 1913: Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Fabrikarbeiter-Verbandes Zahlstelle Frankfurt a. Main und Umgebung 1888 – 1913, Frankfurt/M (Fabrikarbeiter-Verband)
Fricke 1970: Dieter Fricke, Reichsverband gegen die Sozialdemokratie (RgS); in: Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945. Band II, Leipzig 1970 (BI)
Fricke 1987: Dieter Fricke, Handbuch zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 1869 bis 1917 (2. Aufl. in 2 Bänden), Berlin/DDR (Dietz)
Heinzerling 1988: Heidi Heinzerling, Anarchisten in Hamburg. Beiträge zu ihrer Geschichte 1890-1914; in: Hamburger Zustände. Jahrbuch zur Geschichte der Region Hamburg, Bd. 1/1988, Hamburg (Junius)
Hermberg 1922: Paul Hermberg, Nachwort [zu Bötcher 1922]
Kater 1912: Fritz Kater, Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften. Eine kurze Geschichte der deutschen sozial-revolutionären Gewerkschafts-Bewegung, Berlin (Fritz Kater)
Klan/ Nelles 1990: Ulrich Klan/ Dieter Nelles, »Es lebt noch eine Flamme«. Rheinische Anarchosyndikalisten/-innen in der Weimarer Republik und im Faschismus, 2. überarbeitete Auflage, Grafenau/Döffingen (Trotzdem) [1. Aufl. 1986]
Kuckuk 1996: Peter Kuckuk, Syndikalisten und Kommunistische Arbeiterpartei in Bremen in der Anfangsphase der Weimarer Republik; in: AGWA No 14/1996
Kulemann 1908: Wilhelm Kulemann, Die Berufsvereine; 1. Abt.: Geschichtliche Entwicklung der Berufsorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber aller Länder. [2. völlig neu bearb. Aufl. der „Gewerkschaftsbewegung“]. Zweiter Band: Deutschland II. Organisation der Arbeitnehmer II, Jena (G. Fischer)
Langels 1989: Otto Langels, Die Revolutionären Industrieverbände. Gewerkschaftspolitik in der Weimarer Republik zwischen Freien Gewerkschaften und KPD; in: AGWA No. 10/1989
Mohrhof 2008: Folkert Mohrhof, Der syndikalistische Streik auf dem Ozean-Dampfer ‘Vaterland’ 1914. (AKR – Schriftenreihe # 1), Hamburg 2008 (AKR)
Protokoll KPD 3. Parteitag: Bericht über den 3. Parteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund) am 25. und 26. Februar 1920, o.O. [Berlin] o. J. [1920] (KPD)
Rocker 1919: Rudolf Rocker, Prinzipienerklärung des Syndikalismus. Referat des Genossen Rudolf Rocker auf dem 12. Syndikalisten-Kongreß, abgehalten vom 27. bis 30. Dezember 1919 in dem »Luisenstädtischen Realgymnasium« zu Berlin, Dresdener Straße; in: Barwich u.a 1973
Roche 1909: Karl Roche, Aus dem roten Sumpf oder Wie es in einem nicht ganz kleinen Zentralverband hergeht, Berlin (Verlag Fritz Kater)
Roche 1912: Karl Roche (Diogenes), »Die Ohnmacht der Sozialdemokratie im Deutschen Reichstag, eine Wanderung durch die Berichte der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion«, Berlin (Fritz Kater)
Roche 1919a: Karl Roche, Aus dem roten Sumpf (Neuausgabe). Mit einem Vorworte: Nach zehn Jahren, Hamburg (Verlag der Syndikalistischen Föderation Hamburg)
Roche 1919b: Karl Roche, Was wollen die Syndikalisten? Programm, Ziel und Wege der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften, Berlin (Verlag »Der Syndikalist«)
Roche 1919c: Karl Roche, Einheitslohn und Arbeitersolidarität [Vortrag, gehalten am 20. April 1919], Berlin (Verlag »Der Syndikalist«)
Roche 1919d: Karl Roche, Zwei Sozialisierungsfragen. 1. Wer soll sozialisieren? [Vortrag, gehalten am 1. Mai 1919 in Hamburg] 2. Ist die zusammengebrochene Wirtschaft für die Sozialisierung reif? [Vortrag, gehalten im Mai 1919], Hamburg (Verlag der Syndikalistischen Föderation Hamburg)
Roche 1919e: Karl Roche, Organisierte direkte Aktion, Berlin (Verlag »Der Syndikalist« Fritz Kater).
Roche 1920: Karl Roche, Demokratie oder Proletarische Diktatur! Ein Weckruf der Allgemeinen Arbeiter-Union, Ortsgruppe Hamburg, Hamburg
Roche 1921: Karl Roche, Die Allgemeine Arbeiter-Union. Herausgegeben von der Pressekommission der A.A.U. Groß-Hamburg, Hamburg (AAU)
Roche 1924: Karl Roche, Der Proletarische Ideenmensch, Berlin (Der Syndikalist)
Roche 1925: Karl Roche, Arbeiterjugend und natürliche Ordnung, Berlin (Der Syndikalist)
Roche 1929: Karl Roche, Handbuch des Syndikalismus; in: Syndikalist, Nr. 15, 15. 4. 1929 ff
Roche 2009: Karl Roche, Sozialismus und Syndikalismus. Agitationsschriften aus dem Jahre 1919 (Archiv Karl Roche #2) Moers (Syndikat A)
Rübner 1994: Hartmut Rübner, Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus (Archiv für Sozial- und Kulturgeschichte Band 5), Berlin – Köln (Libertad)
Rübner 1996: Hartmut Rübner, Linksradikale Gewerkschaftsalternativen. Anarchosyndikalismus in Norddeutschland von den Anfängen bis zur Illegalisierung nach 1933; in: AGWA No. 14/1996 (Germinal)
Rütters/ Zimmermann 2005: Peter Rütters/ Rüdiger Zimmermann, Bauarbeitergewerkschaften in Deutschland und Internationale Vereinigungen von Bauarbeiterverbänden (1869 – 2004). Protokolle – Berichte – Zeitungen. Ein Bestandsverzeichnis der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung (Veröffentlichungen der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung Bd. 16), Bonn
Schmit 1932: Arthur Schmit, Töpfer, Albert; in: Internationales Handbuch des Gewerkschaftswesens, hrsgg. von Ludwig Heyde; (Band 2); Bd. 1: Berlin 1931; Bd. 2: Berlin 1932 (Werk und Wirtschaft)
Schneider [1943]: Ernst Schneider (Ikarus), The Wilhelmshaven Revolt. A Chapter of the Revolutionary Movement in the German Navy, 1918-1919 [1. Auflage 1943]. (reprint with an Introduction by Joe Thomas), Nr. Huddersfield 1975
Schneider [2003]: Ernst Schneider (Ikarus), Die Wilhelmshavener Revolte. Ein Kapitel aus der revolutionären Bewegung in der deutschen Marine 1918/19; in: AGWA No. 17/2003
Schuster 2000: Dieter Schuster, Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918. Mit einem Vorwort von Rüdiger Zimmermann sowie Registern von Hubert Woltering. (Electronic ed. – FES Library), Bonn
Siegfried 2004: Detlef Siegfried, Das radikale Milieu. Kieler Novemberrevolution, Sozialwissenschaft und Linksradikalismus 1917 – 1922, Wiesbaden (DUV)
SyFo [2007]: SyFo, Geschichte der syndikalistischen Arbeiterbewegung in Deutschland – Ein virtuelles Museum
Thorpe 1978: Wayne Thorpe, Towards a Syndicalist International: The 1913 London Congress; in: International Review of Social History, Vol. XXIII/1978
Thorpe 1989: Wayne Thorpe, »The Workers Themselves«. Revolutionary Syndicalism and International Labour 1913 – 1923, Dodrecht – Boston – London (Kluver)
Thorpe 2000: Wayne Thorpe, Keeping the Faith: The German Syndicalists in the First World War; in: Central European History, Vol. 33/2000, No. 2
Ullrich 1976: Volker Ullrich, Die Hamburger Arbeiterbewegung vom Vorabend des Ersten Weltkrieges bis zur Revolution 1918/19 (2 Bände), Hamburg (Hartmut Lüdke)
Vogel 1977: Angela Vogel, Der deutsche Anarchosyndikalismus. Genese und Theorie einer vergessenen Bewegung, Berlin/W (Karin Kramer)
Voß 1981: Angelika Voß, Der »Hamburger Aufstand« im Oktober 1923; in: Voß u.a. 1981
Voß u.a. 1981: Angelika Voß/ Ursula Büttner/ Hermann Weber, Vom Hamburger Aufstand zur politischen Isolierung. Kommunistische Politik 1923 – 1933 in Hamburg und im Deutschen Reich, Hamburg (Landeszentrale für politische Bildung)
Wollenberg 1973: Erich Wollenberg, Der Hamburger Aufstand und und die Thälmann-Legende, in: Schwarze Protokolle. Zur Theorie der linken Bewegung, Nr. 6/Oktober 1973, Berlin/W

Erklärung

Wem gehört RUDOLF ROCKER?

Es geistert ja schon seit längerem das Gerücht umher, daß die Rechte an den Texten RUDOLF ROCKERs bei dem einigermaßen bekannten Heiner Becker liegen sollen, weshalb viele Genoss~innen während des letzten Jahrzehnts Abstand davon genommen haben, die Texte eines der wichtigsten Theoretikers des Anarchosyndikalismus neu zu veröffentlichen.
Anfang März teilte Herr Heiner Becker aus Nordwalde meiner Anwältin folgendes mit: »Ich, Heiner Michael Becker, bin Eigner und Inhaber der exklusiven Nutzungsrechte an allen Werken von Rudolf Rocker und Milly Witkop-Rocker«. (1) Damit waren alle Unklarheiten beseitigt.
Das hilft, vor allem international – was auch immer die entsprechenden Urheber-Ländergesetze besagen. Der Rechte-Inhaber-Anarchist Becker hat „alle Rechte“ an RUDOLF ROCKER.

Ob er sich jemals juristisch gegen das Yiddisch Book Center (New York) von STEVEN SPIELBERG wendet, das in der Digital Yiddish Library ’seine‘ – ROCKERS – jiddischen Texte frei zum download publiziert? (2) Oder klagt er gegen die Veröffentlichung von Anarcosindicalismo auf Portugiesisch durch brasilianische Genoss~innen? Oder etwa gegen die spanische CNT-Stiftung Fundación Anselmo Lorenzo (FAL) in Madrid oder die spanische CGT oder die schwedische SAC?

Dafür setzte er mit einer Strafanzeige im September 2010 eine kriminalpolizeiliche Ermittlung gegen die Webseite Syndikalismus.tk in Gang, die bis heute nicht beendet ist. Gegen mehrere Genossen ermittelt also die Staatsanwaltschaft Münster (in Hamburg z.B. die Abteilung für Cyberkriminalität des LKA gegen mich), ob der Urheberschaft von S.tk – und der Publizierung von Anarcho-Syndikalismus dortselbst im Januar 2010 als pdf-download. Zur Last legt mir Herr Becker und dem „Umfeld der FAU“ auch die Publizierung von Nationalismus und Kultur im Internet gegen Ende 2009. Angeblich haben mich Genoss~innen aus eben diesem „Umfeld“ „als einen der Verantwortlichen“ genannt … (3) Es gab keinerlei Beweise für meine ‚Täterschaft‘ – ebensowenig wie eine Rücknahme der falschen Anschuldigung und Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft.

Die privatrechtliche Aneignung aller Rechte an RUDOLF ROCKER ist schon abenteuerlich genug. So wird der bekannteste deutschsprachige Theoretiker des internationalen Anarchosyndikalismus für privatkapitalistische Bestrebungen herabgewürdigt – unter dem Deckmantel der ‚Bewahrung des Erbes‘ des Genossen Rudolf und seiner Genossin Milly. Als Argument für die Übertragung der Nutzungsrechte führt Herr Becker an, daß RUDOLF ROCKER sich zeitlebens »darüber aufgeregt habe, daß von [ihm] verfaßte Arbeiten ungefragt und unautorisiert reproduziert und häufig auch verändert wurden«. Aus diesem Grunde übertrug dessen Sohn Fermin – durch einen Schenkungsvertrag vom 3. Juli 1996 – sämtliche Rechte an allen Werken ROCKERs und seiner Frau an Herrn Becker, zur Wahrung »aller Rechte am literarischen Werk seiner Eltern«.

Es mag nun dahingestellt sein, was ein ‚literarisches Werk’ und was ein agitatorischer Beitrag eines anarchosyndikalistischen Gewerkschafters im Funktionärsstatus der FAUD/AS und/oder der syndikalistischen INTERNATIONALEN ARBEITER-ASSOZIATION (IAA) gewesen ist: etwa Artikel in der anarchosyndikalistischen Presse, seine – in der Regel programmatischen – Referate auf FAUD- oder IAA-Kongressen, oder die von ihm verfaßten Prinzipienerklärungen für die FAUD, die IAA, oder auch der FÖDERATION KOMMUNISTISCHER ANARCHISTEN DEUTSCHLANDS (FKAD). Urheberrechtlich gibt es keinen Unterschied. Niemand darf diese abdrucken – genauso wie ins deutsche (rück)übersetzte Texte aus anderen Sprachen! – es sei denn, er hat die Genehmigung von Herrn Becker.

Seit der durch ein damaliges Mitglied der FAU Hamburg initiierten Wiederveröffentlichung von ROCKERs philosophisch-historischem Hauptwerk Nationalismus und Kultur im Jahre 1999 hat Beckers Verlag, die Bibliothek Thélème Verlagsgesellschaft mbH, weder eine zweite Auflage dieses Buches noch andere ROCKER-Texte herausgegeben. Käuflich erwerben kann man sie auch kaum noch, nicht mal antiquarisch (4). Die groß angekündigte Herausgabe der mehrbändigen Geschichte der Anarchie von MAX NETTLAU (deren Nutzungsrechteinhaber wohl auch Herr Becker ist) erfolgte ebenfalls bis heute nicht. Da allerdings die Nutzungsrechte 70 Jahre nach dem Tode des Verfassers erlöschen, hat Herr Becker in diesem Falle nur noch bis 2014 den alleinigen Zugriff.

Herr Becker sitzt nun noch bis zum Jahre 2028 auf den Rechten am Werk ROCKERs und publiziert seit 12 Jahren – nichts. Welchen Grund hat das? Die anarcho-syndikalistische und anarchistische Öffentlichkeit würde das gerne wissen.

Ich möchte ausdrücklich betonen, daß es sich hier nicht um eine private Fehde zwischen mir und Herrn Becker handelt, er ist mir schnurzpiepe

Folkert Mohrhof, Hamburg März 2011
• Herausgeber der BARRIKADE – Streitschrift für Anarchosyndikalismus, Unionismus und revolutionären Syndikalismus / Archiv Karl Roche

Historischer Nachsatz:
Alles erinnert übrigens fatal an den Prozeß, den Rudolf Oestreich, der Herausgeber des FKAD-Organs Der Freie Arbeiter, 1928 gegen RUDOLF ROCKER und den verantwortlichen Redakteur des Syndikalist, HELMUT RÜDIGER, anstrengte (5). Erich Mühsam kommentierte das damals: »Vielleicht kann der Staat die Dienste des klagenden Anarchisten auf die Dauer brauchen und entsprechend belohnen, nachdem sich erwiesen hat, wie erfolgreich er für die Erhöhung der öffentlichen Einnahmen aus dem Beutel von Anarchisten zu wirken weiß. Die Naturgeschichte aber ist um die Spezies des Staatsanarchismus bereichert worden.« (6)

Anmerkungen – Fußnoten:
(1) Brief Heiner Beckers vom 23.2.2011 (I) an meine Anwältin
(2) http://www.archive.org/search.php?query=Rudolf%20Rocker%20AND%20mediatype%3Atexts
(3) Brief Heiner Beckers vom 23.2.2011 (II) an meine Anwältin
(4) Siehe: Rotes Antiquariat-Katalog Januar 2011 – „gefunden“ wurde dieses exklusive Material mit Hilfe der Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD … wer und wo – wird leider nicht mitgeteilt [Seiten 17 ff und 50]
(5) siehe Fanal. Anarchistische Monatsschrift. Herausgegeben von ERICH MÜHSAM. Jg. 2: Nr. 9, Juni 1928, S. 215f (Organisatorisches); Nr. 12, September 1928, S. 287f (Entschließung); Jg. 3: Nr. 1, Oktober 1928, S. 23f (Erich Mühsam, Schmach und Schande); Nr. 2, November 1928, S. 48 (Volksbelustigung); Nr. 3, Dezember 1928, S. 68f (Erich Mühsam, Staatsanarchismus); Nr. 4, Januar 1929, S. 91f (Erich Mühsam, Schlußwort zum Falle Oestreich)
(6) Mühsam, Staatsanarchismus, a.a.O., S. 69

Neue Beiträge

Moin,

• Jetzt auch als pdf-Broschüre erhältlich: Der syndikalistische Streik auf dem Dampfer Vaterland 1914
Vaterland1914

• Die eingescannten Ausgaben und das Inhaltsverzeichnis der anarchistisch-syndikalistischen Zeitung KAMPF aus Hamburg (1912-14) haben wir als pdf-Datei eingestellt.
Es sind nun aller erschienenen Ausgaben Oktober 1913 bis Juni 1914 online.
KAMPF – Inhaltsverzeichnis und eine Einführung findet sich ebenfalls im Unterverzeichnis.

roche_signet»Am schlimmsten sind die Zustände in der Vulkan-Werft, wo das gesamte Personal gänzlich in der Hand des Syndikalisten Roche und ein Eingreifen ohne die Zustimmung des Arbeiterrates gänzlich ausgeschlossen ist. Die Chefs erhielten Warnbriefe (…), in ihren Betrieben würde kein Stein auf dem anderen bleiben, usw.«
• Politischen Polizei – Lagebericht der vom 18.8.1919

»Vulcan-Werft: Die Belegschaft der Vulcan-Werft ist fast vollständig zu der Arbeiter-Union übergetreten, nachdem sich auch der Syndikalist Roche, der als der Führer der Vulcan-Arbeiter bezeichnet werden muss, für die Union erklärt hat. Das gleiche gilt von Appel, dem Vorsitzenden der revolutionären Obleute. Die Vulcan-Werft ist als eine der radikalsten Betriebe Hamburgs zu bezeichnen.«
• Politische Polizei – Wochenbericht Nr. 8 vom 6.10.1919

»Personalien. Der Haupthetzer auf der Vulcanwerft ist der Syndikalist Roche. Sein Einfluss auf die Arbeiterschaft ist ungeheuer und mit Recht wird behauptet, dass er die Seele des verderblichen Widerstandes gegen Vernunft und Ordnung eines grossen Teils der Arbeiterschaft ist. In allen Versammlungen, in denen er spricht, muss immer wieder festgestellt werden, dass seine aufreizenden, mit guter Beredsamkeit und Geschick vorgetragenen Ausführungen den stark gefährdeten Wirkungen auf die Zuhörerschaft ausüben.“
•Politische Polizei – Wochenbericht Nr. 9 vom 13.10.1919

was-wollen-die-syndikalistenDie Broschüre ‚Was wollen die Syndikalisten?‚ erschien im Frühjahr 1919.

Ende Mai 2009 erscheint die Broschüre ‚Sozialismus und Syndikalismus‚ – wir publizieren in ihr neben den drei Beiträgen ‚Einheitslohn und Arbeitersolidarität‚, ‚Zwei Sozialisierungsfragen‚ und ‚Organisierte direkte Aktion‚ [sie sind hier im Archiv zu lesen] auch diese selten verfügbare Schrift zur Strategie und Taktik der Syndikalisten nach der gescheiterten Novemberrevolution 1918.


Wir stellen die ersten drei Ausgaben der BARRiKADE hiermit ins Netz als pdf-Dateien.
Es sind kleine Dateien – wer mehr möchte, muß sich die Ausgaben weiterhin kaufen.

barrikade-1

barrikade-2

barrikade-3

Die ISBF – die syndikalistische Bauarbeiter-Föderation der IAA
und Der Streik der Düsseldorfer Bauarbeiter der FAUD 1932

Außerdem findet ihr hier unsere Zusammenstellung zum Schwerpunkt-Thema BAUARBEITER der Ausgaben 4 und 5 – insgesamt 120 Seiten stark. Wir haben alle uns verfügbaren Materialien in eine pdf-Datei gepackt. Sie enthält auch drei schwedisch-sprachige Protokolle des ISBF-Kongresse von Lyon (17. November 1926) und Lüttich (1928).
Viel Spaß beim Stöbern und Erkenntnisgewinn!

ISBF – Bauarbeiter 1924-1932 klein

U-Bahn-Bau in Hamburg 1913


Wer die Datei in größerer Auflösung haben möchte, möge sich bei uns melden.